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Rund um Hermeskeil
Ausgabe 5/2023
2 - Hermeskeiler Stadtnotizen
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Standpunkt: Es war einmal... die Deutsche Bundespost

Da war die Welt noch in Ordnung. Seit Kaisers Zeiten sah es der Staat als eine seiner ureigensten Aufgaben an, im Rahmen der Grundversorgung die Funktion des Post- und Telekommunikationswesens zu gewährleisten. Natürlich kostete das viel Geld, weil die Einnahmen nie die Kosten deckten, aber es funktioniert. Ein Landbriefträger hätte noch bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts alles dafür getan, seine Briefe pünktlich an den Mann und die Frau zu bringen.

Heute ernten wir die Früchte einer beispiellosen Privatisierungswelle, die in den 1990er Jahren einsetzte. Eigene Filialen unterhält die Deutsche Post, wie sie sich nun nennt, allenfalls noch in Großstädten, überall sonst gibt es allenfalls noch Postagenturen, die von Einzelhandelsbetrieben nebenher geführt werden. Der Vorteil für die Post: Man braucht keine eigenen Räume und kein eigenes Personal mehr. Die Folgen: Personalabbau, Immobilienverkauf usw.; schließlich arbeitet man, anders als der Staat, als Privatunternehmer profitorientiert. Geschäftsleute und deren Personal werden angelernt – das war‘s.

Das geht so lange gut, bis – wie jetzt in Hermeskeil – ein Geschäft, aus welchem Grund auch immer, schließt. Plötzlich stehen die Post, die sich offenbar nicht zeitig um eine Nachfolgelösung gekümmert hat, ohne Räumlichkeiten und Personal und das Mittelzentrum Hermeskeil ohne eine städtische Postagentur da. Für die meisten Privatkunden ist das nicht weiter schlimm: Briefe und Pakete werden immer noch nach Hause geliefert, für eher seltener selbst geschriebene Briefe gibt es noch den einen oder anderen Briefkasten. Bei Briefmarken wird es schon schwieriger, bei Postbankdiensten läuft im Moment nichts mehr.

Gewerbekunden und Behörden, die bisher ihre umfangreiche Post selbst eingeliefert und abgeholt haben, sind dagegen die Dummen. Die am Kaufland noch vorhandene Agentur und der Paketshop bei „Lebensart“ im Rosenweg stehen für sie nicht zur Verfügung. Die Post bietet ersatzweise einen Hol- und Bringdienst an – gegen Entgelt, versteht sich.

Ob und wann es die Post schafft, in der Hermeskeiler Innenstadt wieder jemanden zu finden, der die Agentur übernimmt, hängt hauptsächlich von ihrem Angebot ab. Mit einem Taschengeld wird sich niemand abspeisen lassen. Bis dahin erinnern wir uns manchmal mit Wehmut an die guten alten Zeiten, als es noch ein Postamt in Hermeskeil gab und ein Briefträger sich eher ein Bein ausgerissen hätte als seine Fracht länger als einen Tag liegen zu lassen.

(Bernd Willems)