Zwei Brüder sitzen auf der Anklagebank, beschuldigt der gemeinschaftlich begangenen Körperverletzung; bei einem kommt noch versuchte Nötigung hinzu. Mit den damaligen Nachbarn in einem Mehrfamilienhaus haben sie schon länger kein gutes Verhältnis. Eine der Ursachen sind zwei kleine Hunde, die „die ganze Zeit gekläfft haben“, wie einer der Beiden sagt. Mehrmals hat es gegenseitige Anzeigen bei der Polizei gegeben; einmal hat einer der Angeklagten sogar das Jugendamt eingeschaltet, weil er meinte, dass auf der anderen Seite Kinder misshandelt würden. Das Ganze kocht dann so langsam hoch, bis die Situation im letzten Sommer einen traurigen Höhepunkt erreicht. Beide Seiten haben bei einem Fußballländerspiel im Fernsehen - wie vielfach üblich - Alkohol getrunken; anschließend setzt man sich noch ein wenig auf die Terrasse. Als dann die Hunde wieder herumtollen und bellen, platzt den Angeklagten der Kragen. Einer beschwert sich lautstark, der andere wird sogar handgreiflich: Er packt den Nachbarn so heftig am Schlafittchen, dass dieser mitsamt seinem Stuhl zu Boden geht. Nun kommt sein Bruder hinzu und versetzt - so die Anklage - dem am Boden liegenden mehrere Tritte in den Bauch. Als die Nachbarin die Polizei rufen will, soll er gesagt haben: „Wenn du das machst, bringe ich dich um.“
Vor Gericht zeigen sich beide nun sehr reumütig und sind weitgehend geständig. Die Situation sei übergekocht wegen der Vorgeschichte, erklärt der Eine und sagt: „Ich weiß, dass das falsch war; es hätte nicht passieren dürfen“. Der Andere bestreitet allerdings, den Nachbarn getreten zu haben. Er habe ihm lediglich mit der flachen Hand an den Kopf gehauen. Doch das Opfer, das inzwischen wegen der „schlechten Nachbarschaft“ weggezogen ist, erzählt die Geschichte im Zeugenstand anders und bleibt dabei, mehrmals getreten worden zu sein, als es am Boden lag. Auch seine Partnerin und eine weitere Nachbarin, die dabei gewesen ist, bestätigen den Vorgang: Der eine Angeklagte habe „ohne Rücksicht auf Verluste“ auf den Mann am Boden eingetreten. Immerhin entschuldigen sich die Brüder nun im Gerichtssaal bei dem Nachbarn: Die Situation sei „blöd gewesen“ und es tue ihnen leid, dass sie so reagiert hätten.
Richter Dr. Zierden verliest im Anschluss an die Zeugenvernehmungen die Strafregister der Angeklagten. Während der „Treter“ noch nie aufgefallen ist, hat sein Bruder eine ganze Latte von Einträgen. Die Mehrzahl davon betrifft genau das, was man ihm heute vorwirft: Körperverletzung. Das wirft natürlich kein gutes Licht auf ihn. Allerdings ist der letzte Fall zur Zeit der Tat im Sommer letzten Jahres bereits fünf Jahre her. Er habe inzwischen zwei Kinder und sein Leben geändert, erklärt er einigermaßen glaubhaft.
Die Staatsanwältin sieht sämtliche Anklagepunkte durch das weitgehende Geständnis der Angeklagten und die Aussagen der Zeugen bestätigt. Im Hinblick auf Letzteres glaubt sie dem einen nicht, dass er seinen Nachbarn nicht getreten hat. Beiden hält sie zugute, dass der Tat eine lange Vorgeschichte vorausgegangen ist und dass sie an diesem Abend wohl durch den Alkoholgenuss enthemmt gewesen sind. Auch dass beide sich „aus freien Stücken, ganz ohne Anwalt“ entschuldigt haben, spricht aus ihrer Sicht zu ihren Gunsten. Sie fordert für den Wiederholungstäter eine Geldstrafe von 120 Tagessätzen und für den anderen eine solche von 100 Tagessätzen.
Das Gericht folgt diesen Anträgen. Normalerweise werde bei einer Körperverletzung eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten verhängt, erklärt Dr. Zierden. Wegen mildernder Umstände könne diese aber reduziert und in eine Geldstrafe umgewandelt werden. Er hält den Angeklagten auch zugute, dass es sich hier wohl um ein „Sekundenversagen“ gehandelt hat. Weil beide das Urteil ebenso annehmen wie die Staatsanwältin, wird es sofort rechtskräftig.