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Rund um Hermeskeil
Ausgabe 51/2022
2 - Hermeskeiler Stadtnotizen
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Das Eisenhüttenwesen im Hochwald in vorindustrieller Zeit

Holzkohlenmeiler. Die Ausbeute an Holzkohlen hing in hohem Maß von der Geschicklichkeit des Köhlers beim Aufbau des Meilers, der in den Sommermonaten (Juni bis September) erfolgte, und seiner Sorgfalt im weiteren Verlauf des Schwelprozesses ab. Eine nicht zu unterschätzende Rolle spielten zudem vor allem die Holzqualität, Art und Beschaffenheit des Bodens sowie Witterungseinflüsse bei der Holzkohlenproduktion.

Das Unternehmertum der Eisenwerke und die Arbeiterschaft

Fortsetzung aus RuH Nr. 49/2022

In der heimatkundlichen Serie über das „Eisenhüttenwesen im Hochwald in vor industrieller Zeit“ haben wir die Standort- und Produktionsfaktoren (= Wasserkraft, Erze, Holzkohlenversorgung) sowie die unterschiedlichen Verfahren der Eisengewinnung und Weiterverarbeitung eingehend beschrieben. Unser heutiger Beitrag befasst sich mit dem Unternehmertum der Eisenwerke und der Arbeiterschaft.

Das Unternehmertum der Eisenwerke

Die von einem einzelnen Unternehmer geführten Eisenwerke waren die typischen Besitz- und Betriebsformen der Hochwälder Werke. Unternehmer und Arbeiter der Eisenwerke genossen gegenüber den sonstigen Untertanen eines Territoriums rechtliche und soziale Privilegien, die sich aus dem mittelalterlichen Вergrecht herleiteten. In Verbindung mit anhaltendem wirtschaftlichem Erfolg konnten diese Privilegien dem sozialen Aufstieg der Unternehmerfamilien erheblich fördern, so geschehen bei den Unternehmern Mariotte (die Familie wurde 1696 in den Reichsritterstand erhoben). Gottbill, Stumm, Eisenschmidt, Hauzeur und Pasterts.

Die aus der Südeifel stammende Familie Eisenschmidt, die in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts die Eisenwerke beim Kloster Himmerod innehatte, betrieb seit 1499 auch die Eisenwerke in Abentheuer, vermutlich bis zu ihrer Zerstörung um 1635.

Das Handelsunternehmen Mariotte mit Hauptsitz in Lüttich erneuerte das durch die Zerstörungen und Verwüstungen des 30-jährigen Krieges daniederliegende Eisenhüttenwesen des Hunsrücks. Um 1662 ist Jean Mariotte u.a. Besitzer der Werksanlagen bei Züsch. Durch die Firma Mariotte wurde der Hochwälder Produktion ein weitverzweigtes und ausgedehntes Handelsgebiet erschlossen, das von Frankfurt im Süden bis zu den holländischen Seehäfen reichte. Die Firma zog sich nach den Verwüstungen des Pfälzischen Erbfolgekrieges (1687-1697) vom Hunsrück zurück.

Die von der Firma Mariotte begonnene Erneuerung des Hunsrücker Eisenhüttenwesens wurde durch die Firma Hauzeur, die ebenfalls aus der belgischen Wallonie kam und von dort auch ihr technisches Know-how bezog, von 1694 an fortgesetzt. Das von Remacle Joseph Hauzeur (1663-1745) geschaffene Unternehmen wuchs schon im ersten Viertel des 18. Jahrhunderts zum größten im Hunsrück an. Neben der Züscher Hütte gehörten der Unternehmensgruppe Hauzeur das Hammerwerk bei Nonnweiler, das 1672 wiederaufgebaute Eisenwerk Abentheuer, die Röderbacher Hütte, die Hütte bei Nonnweiler (spätere Mariahütte) sowie weitere Eisenwerke in den Ardennen (Verviers) und im Saarland. Nach dem Tod des Firmengründers zerfiel das Unternehmen sehr rasch, da der Ausbau der Eisenwerke zu hohen Kreditbelastungen geführt hatte und seine Nachkommen der Führung der Betriebe nicht gewachsen waren.

Auch das unternehmerische Geschick und die Tatkraft des aus dem Schleidener Tal stammenden Peter Pasterts (1641-1728) wurden von seinen Nachfahren, die noch bis 1835/36 in der Hunsrücker Metallverarbeitung tätig waren, zu keiner Zeit mehr erreicht. Heinrich Pasterts, ein Enkel, hatte 1784 das Hammerwerk Züsch käuflich erworben, das sein Sohn Maximilian noch bis zum Verkauf an die Firma Gottbill im Jahre 1835/36 weiterführte.

Der Aufstieg der Unternehmerfamilie Gottbill aus dem Arbeiterstand ins Unternehmertum erfolgte um 1715 durch den Aufbau eines Eisenwerks bei Nunkirchen; von den nachfolgenden Generationen wurde das Unternehmen erweitert. Karl Gottbill erwarb 1764 von den Hauzeur-Erben die Eisenwerke bei Nonnweiler, die aus je einem Hütten- und Hammerwerk bestanden; dem modernisierten Werk gab er den Namen „Mariahütte“. 1789 wurde Karl Gottbill alleiniger Besitzer aller Eisenwerke der Familie in Nunkirchen, Mariahütte und Bierfeld. Da von den sieben direkten Nachkommen Karl Gottbills bis auf den Sohn Sebastian Joseph alle ledig blieben, fiel das gesamte Vermögen der Familie Gottbill später an die einzige Tochter des Sebastian Joseph, die 1826 den aus Sachsen stammenden preußischen Oberforstmeister Alexander von Beulwitz in Trier heiratete, so dass die Eisenwerke der Familie Gottbill nach dem Tod des letzten Namensträgers im Jahre 1836 endgültig in den Besitz der Familie von Beulwitz übergingen.

Von der Eisenhütte bei Damflos ist um 1619 die Unternehmerfamilie Hausmann überliefert. Im östlichen Hunsrück besaß die Familie Stumm im 18. Jahrhundert mit Abstand die meisten Eisenwerksbetriebe. Der Eisenwerksunternehmer Leopold Choisy betrieb vor 1757 ein Hammerwerk am Lösterbach unterhalb von Bierfeld und erhielt 1759 vom Trierer Kurfürsten die Berechtigung zum Bau eines Hochofens neben dem Hammerwerk. Schon 1764 verpachtete Choisy die Hütte („Hubertushütte“ genannt) an Lorenz Nacher. Choisy war zeitweise auch Betreiber der Hüttenanlagen in Kastel (1754) und Züsch (um 1765).

Die Arbeiterschaft

Schon gegen Ende des 15. Jahrhunderts wird in den Bestandsverträgen zwischen Erzgräbern, Waldarbeitern und Eisenwerksfachleuten unterschieden; auch Tagelöhner und Fuhrleute sind der Arbeiterschaft zuzurechnen.

Die Erzgräber/Bergleute

Da im Hochwald die Eisenerze überwiegend im bergtechnisch weniger anspruchsvollen Tagebau gefördert wurden, setzten sich die Erzgräber größtenteils aus ungelernten Kräften zusammen; neben etlichen im Nebenberuf tätigen Bauern der jeweiligen Umgegend handelte es sich dabei in der Regel um Tagelöhner. Geschultes Fachpersonal war vermutlich nur in Leitungsfunktionen vorhanden. Die Belegschaftszahlen der Gruben waren zum Teil starken Schwankungen unterworfen. In Schwarzenbach z.B. schwankte die Zahl der Erzgräber zwischen 15 (1767) und 8 (1775), der Durchschnitt lag bei etwa 12 Erzgräbern. In Thalfang, wo seit 1780 Erze für den Hochofen in Abentheuer gefördert wurden, waren 19 Eisensteingräber (1781) beschäftigt, 1784 betrug die Zahl nur noch 11. Schwarzenbach, Eisen und Thalfang gehörten zu den größeren der vom Eisenhüttenwerk Abentheuer ausgebeuteten Gruben. In den kleineren Gruben des Hochwaldes arbeiteten häufig jedoch nur ein bis zwei Erzgräber.

Die Waldarbeiter (Holzfäller, Köhler)

Die Versorgung der Eisenwerke mit Holzkohle wurde von Holzfällern und Köhlern sichergestellt. Die Holzfäller arbeiteten meist hauptberuflich; daneben wurden auch Bauern der nahen Umgebung zeitweise als Waldarbeiter beschäftigt. Die Holzhauer hatten neben dem Fällen des Holzes auch die Aufgabe, dieses zu zerkleinern und zu Klaftern aufzustapeln. Die anschließende Meilerung des Holzes blieb dem Köhler vorbehalten. Die hauptberuflich tätigen Holzfäller lebten ursprünglich mit ihren Familien in zeitlich befristeten eigenen Blockhütten-Siedlungen unmittelbar in den Waldgebieten; dies wurde gegen 1730 zunehmend erschwert und schließlich untersagt, weil die Holzfällerfamilien durch die Anlage von Gärten und durch Kleintierhaltung, vor allem von Ziegen, in Verbindung mit einem relativ häufigen Wechsel der Wohnstelle dem Waldbestand Schaden zufügten und die natürliche Verjüngung beeinträchtigten. Die Familien der Holzfäller, aus den Waldgebieten herausgedrängt, formierten sich in deren Randzone zu speziellen Holzfällersiedlungen; so sind die „Waldhüttendörfer“ Börfink (um 1769), Damflos (um 1720), Muhl (um 1730), Thranenweiher (um 1705) entstanden. Andere Siedlungen, wie Welschlonkig bei Damflos (1730-1753), Schneidershütten östlich von Züsch (um 1718-1758) wurden aufgegeben. Um 1729 lebten in den Waldungen der Herrschaft Züsch 21 Familien in Holzfällersiedlungen (Baracken), deren Zahl sich von Jahr zu Jahr steigerte. Insgesamt lebten nach amtlichen Unterlagen im Jahre 1788 in den Hüttendörfern Züsch, Damflos, (Züscher) Schmelz, Neuhütten, Zinsershütten, Muhl und Börfink insgesamt 1117 Personen, worunter sich 461 Kinder unter zwölf Jahren befanden (ca. 41,3 %). Die über keinen Grundbesitz verfügenden und auf Lohnarbeit angewiesenen Holzfäller und deren Familien lebten meist in bitterster Armut und standen auf der untersten Stufe des gesellschaftlichen Ansehens.

Die Köhler, von deren Geschicklichkeit die Ausbeute des Kohlenmeilers an Holzkohle abhing, hatten für die Wirtschaftlichkeit des vorindustriellen, auf der Basis der Holzkohle aufgebauten Eisenhüttenwesens im Hochwald eine nicht zu unterschätzende Bedeutung. Das Meilern des Holzes konnte nicht zu jeder Jahreszeit durchgeführt werden, es konzentrierte sich auf die Sommermonate. Im Winter und Frühjahr verdingten sich die Köhler in der Regel als Holzfäller; das geringe soziale Ansehen der Köhler war dem der Holzfäller vergleichbar. Die Köhler bildeten keine Gruppen, sondern betrieben die Kohlenmeilerung allein; zudem griffen sie immer wieder auf die gleichen Kohlplätze zurück, so dass der von den einsam im Wald lebenden Köhlerfamilien angerichtete Schaden insgesamt bedeutend geringer gewesen sein dürfte als der, den die Holzfällerfamilien verursachten.

Üblicherweise wurden im Hochwälder Hüttenwesen Akkordlöhne gezahlt, die sich nach der Menge des geförderten Erzes, des gehauenen Holzes oder der gewonnenen Holzkohle richteten.

Die Eisenwerksfacharbeiter

Das Eisenwerksfachpersonal der älteren Hochwälder Eisenwerke dürfte gleichermaßen sowohl bei der Herstellung als auch bei der Weiterverarbeitung von Eisen eingesetzt gewesen sein. Bis in das 17. Jahrhundert sind hier sehr bescheidene Personalstärken (kaum mehr als zehn Beschäftigte) in einem Eisenhütten- und Hammerwerkskomplex anzunehmen. In größeren Eisenwerken (z.B. Abentheuer) arbeiteten etwa 15 bis 30 Arbeiter; dort gab es dann auch eine größere Spezialisierung, Fachkräfte im Schmelzbetrieb und andere in den verschiedenen Hammerwerken. Die Arbeiter der Eisenwerke stammten in der Regel nicht aus dem Hunsrück, vielmehr können seit dem 15. Jahrhundert Einwanderungen aus der Eifel angenommen werden, während seit dem Ende des 16. und im 17. Jahrhundert Eisenwerksfachkräfte aus Lothringen, dem Siegerland und dem Westerwald auf den Hunsrück kamen.

Eine Einwanderungswelle französischsprachiger Arbeiter, die unmittelbar vor der Wende zum 18. Jahrhundert durch die Unternehmungen des aus Verviers (Belgien) stammenden Eisenhüttenmeisters Remacle Joseph Hauzeur ausgelöst wurde, erstreckte sich insbesondere auf den Hochwald. In den Kirchenbüchern von Züsch sind in den Jahren 1710 bis 1720 rund 50 wallonische Ehen eingetragen; sie hießen u.a. Rosar, Petto, Dupont, Bouillon, Detemple, Matthieu, Sossong, Collin (Kolling), Dupré, Longfils (Lofi), Delveaux (Dellwo) - Namen, die auch heute noch in der gesamten Hochwaldregion häufig anzutreffen sind.

Die Eisenwerksarbeiter siedelten sich in unmittelbarer Nähe der Eisenwerke an und trugen dadurch zur Ausbildung neuer Ortschaften und Ortsteile bei. Die in den beiden ersten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts gegen eine jährliche „Rekognitionsgebühr“ von 2 Reichstalern als Schutzverwandte im Züscher Lehen angesiedelten Familien wiesen trotz der Auswanderung nach Ungarn und Amerika ein rasches Anwachsen der Bevölkerung auf. Bereits um 1850 wurde dies von der Verwaltung als das größte Problem des als Hütten- oder Barackenleute bezeichneten ländlichen Proletariats angesehen. Da die Hüttenleute über keinen Grundbesitz verfügten, blieb ihnen nach Stilllegung des Züscher Eisenwerkes um 1835 als nahezu einzige Beschäftigungsmöglichkeit, sich als Holzhauer oder Köhler bei fremden Unternehmen zu verdingen, dies häufig weitab von ihren Familien. Dennoch reichte der bescheidene Verdienst meist nicht aus, die kinderreichen Familien zu ernähren. Trotz zahlreicher Initiativen gelang es den Verwaltungen nicht, das Los der in bitterster Not lebenden, oft auf Bettelei angewiesen Menschen zu verbessern.

(wird fortgesetzt)