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Rund um Hermeskeil
Ausgabe 51/2023
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Miteinander Schutzdächer bauen

Der Haupteingang der Martinuskirche hat pünktlich zum 3. Advent ein Vordach erhalten.

Die letzten Monate konnte dieser nämlich nicht benutzt werden.

Ende September waren Steine vom Kirchturm heruntergekommen.

Das von den Firmen Petto und Paul Ludwig errichtete Vordach ist „mein“ Weihnachtsbild.

Es passt gut in diese Zeit und in den Zustand von Kirche und Welt. Da brauchen wir sie nämlich, Schutzdächer, die uns bei all den Ab- und Umbrüchen, den Trümmerteilen, die um uns herumfliegen, schützen.

Dass die Pfarrkirche St. Martinus sanierungsbedürftig ist und dass die Kirchengemeinde sich das eigentlich ohne Hilfe nicht leisten kann, ist ja bekannt. Wozu eine so große Kirche sanieren, wo doch immer mehr Menschen der Institution den Rücken kehren und die Teilnahme an Gottesdiensten auch rückläufig ist, ist eine berechtigte Frage. Mit diesen Fragen und Problemen steht die katholische Pfarrei Hermeskeil aber nicht allein. Mangelnde Einnahmen und die Frage, wie geht es weiter, angesichts weniger Menschen, die sich irgendwo engagieren, verbindet die Kirchengemeinde mit der Kommune und vielen Vereinen rund um Hermeskeil. Seit zwei Jahren bin ich nicht nur Pastor in und um Hermeskeil, sondern auch Bürger von Stadt und Verbandsgemeinde. Ich staune über die vielen, die sich engagieren, trotz schwieriger Bedingungen, sei es in der Kommunalpolitik, sei es in den Vereinen. In ihrem Kreis fühle ich mich sehr wohl. Ihr Engagement motiviert auch mich, mich zu engagieren in und für Hermeskeil, und das als Bürger.

Ich erlebe aber auch, dass bei verschiedenen Aktivitäten es immer dieselben Menschen sind, die sich engagieren. Dabei wäre gerade heute in einer Zeit der Um- und Abbrüche es so wichtig, zusammenzustehen und zusammenzuhalten.

Das Vordach der Martinuskirche soll vor herabfallenden Trümmern schützen; dafür sorgen, dass Menschen unverletzt die Kirche betreten können. Dazu passt, dass unsere Pfarrei in diesen Tagen ein Schutzkonzept in Kraft setzt, dass vor sexuellem Missbrauch in der Kirche und darüber hinaus schützen soll. Der Fall des mutmaßlichen Missbrauchtäters Dillinger, der Ende der 60er Jahre in Hermeskeil tätig war, ist noch einmal mehr Ansporn, dafür zu sorgen, Strukturen, Regeln und vor allem Sensibilität zu schaffen, die solche Verbrechen und deren Vertuschung hoffentlich nicht mehr möglich machen.

Bischof Dr. Stephan Ackermann hat kürzlich bei einer Konferenz eine düstere Prognose für die Kirche herausgegeben. Es werde noch mehr Abbruch geben und wir müssen schauen, dass die Trümmerteile uns nicht erschlagen, sagte er. Er hatte mit Sicherheit nicht die Hermeskeiler Kirche im Blick, sondern die Institution. Aber auch hier: Ich glaube, dies gilt nicht nur für die Kirche. Vieles in der Gesellschaft ist im Umbruch und auch im Abbruch. Die Kriege, die immer näher an uns herankommen, zeigen uns, dass der Friede auch bei uns nicht sicher ist. Die Folgen der Konflikte spüren wir auch hier. Nicht nur Preissteigerung, sondern auch Einsparmaßnahmen, treffen uns auch hier in Hermeskeil. Wenn z.B. im MGH Johanneshaus, das ja in Trägerschaft der katholischen Pfarrei ist, Mittel gekürzt werden, das Familiennetzwerk HAFEN in seiner Finanzierung vor Problemen steht, dann sind das doch auch direkte Auswirkungen der Um- und Abbrüche in dieser Welt. Alles, was in die Kriege und ihre Folgen gesteckt wird, fehlt an anderer Stelle.

Die vielen Konflikte und die Trümmer, die um uns herumfliegen, machen Menschen unsicher, depressiv, ängstlich und manchmal auch aggressiv. Ein Schutzdach, wie das vor der Martinuskirche, brauchen wir dringend als Gesellschaft, damit wir uns auch gegenseitig nicht zerfleischen.

Wir sollten gemeinsam daran bauen.

Dass Menschen hier bei uns in Hermeskeil Schutz und Obdach suchen, sehen wir doch tagtäglich an der B52. Die Afa erregt die Gemüter. Wie viel Platz ist da, wer hat Anrecht auf Schutz und Unterstützung, können wir uns angesichts der eigenen Probleme so viel Hilfe für Asylbegehrende überhaupt leisten?

Fragen, die berechtigt sind. Doch eines steht doch fest: Die Menschen, die kommen, sind da und es werden nicht weniger werden. Auch hier ist doch die entscheidende Frage, wie gestalten wir das, was uns da auch als Herausforderung „um die Ohren fliegt“. Wie können wir die Asylsuchenden schützen aber auch das Klima in unserer Gesellschaft?

Ein Schutzdach für die Geflüchteten aber auch für die, die hier vor Ort Ängste und Sorgen haben und besonders auch für die, die nicht müde werden, sich für die Geflüchteten einzusetzen, braucht es, sonst gibt es auf allen Seiten Verletzungen und vielleicht noch mehr.

Das neue Vordach vor der Martinuskirche, es ist ein Notdach.

Es erinnert mich an das Dach des Stalls von Betlehem. Zu mehr Schutz hat es für die Heilige Familie mit ihrem neugeborenen Kind nicht gereicht, aber diesen provisorischen Schutz hatten sie. Gott – so glauben Christinnen und Christen – kommt so in die Welt. Das Kind in der Krippe ist auf Schutz und Zuwendung angewiesen. Ohne diesen Schutz und ohne Zuwendung kann es nicht (über-)leben. Auch du und ich nicht, keine und keiner von uns. Wir Menschen brauchen Schutz und Liebe.

Deshalb: Bauen wir gemeinsam Schutzdächer, die uns schützen, bei all den Um- und Abbrüchen in unserer Welt.

Vielleicht schauen Sie sich ja das Schutzdach vor dem Haupteingang der Martinuskirche einmal an in diesen Tagen und nehmen es als Zeitzeichen wahr, das uns zeigt, was in dieser Zeitstunde zu tun ist, für wen und was es noch solche Schutzräume braucht.

Vielleicht gehen Sie durch das Dach auch in Hermeskeils Wahrzeichen, das die Martinuskirche unangefochten ist, hinein! Eine jede und jeder, gleich welchen Glaubens, ob Mitglied oder Nicht-Mehr-Mitglied der Kirche, gleich welcher sexuellen Orientierung, ist hier willkommen, ihre Größe, Höhe und Weite, steht dafür! Wie schön wäre es, wenn die Weihnachtsgottesdienste Gelegenheiten der Begegnung, des Zusammenseins und Zusammenhaltens angesichts der Krisen in dieser Welt wären!

Christinnen und Christen glauben, dass Gott Mensch wird, damit Menschen lernen zusammenzuhalten und – wenn es sein muss und momentan nichts anderes geht – Schutzdächer bauen, damit niemand verletzt wird.

Bauen wir gemeinsam und stehen wir miteinander diese Zeiten durch!

Frohe und gesegnete Weihnachten!

Ihr und euer Pastor Dekan Christian Heinz