Mit dem Befehl die ganze Welt in Steuerlisten einzutragen, beginnt das Weihnachtsevangelium des Lukas.
Menschen zu erfassen, zu zählen, das ist ja nicht nur etwas Vergangenes, das hat eine ganz neue Aktualität.
Als ich mit unseren älteren Messdienerinnen und Messdienern, von denen viele in diesen Tagen 18 Jahre “alt” werden, vor ein paar Wochen ein paar Tage in Berlin verbrachte, kamen wir immer wieder ins Gespräch über die Wiedereinsetzung der Wehrpflicht. Gerade die Jungs waren mit sich am Ringen, welche Entscheidung sie denn treffen werden.
Das neue Gesetz zur Musterung sieht vor, dass alle Männer ab Jahrgang 2008 zunächst einen Fragebogen beantworten müssen, später werden, wenn die Infrastruktur stimmt, Musterungen stattfinden.
Und auch sonst spielt die Erfassung von Menschen in Zahlen eine große Rolle: In der Flüchtlingsdebatte scheint ein Wettlauf entstanden zu sein, wer die Zahlen am meisten drückt.
In der Frage um die Renten spielt auch die Zahl der Einzahlerinnen und Einzahler, die Zahl der Jahre die jemand gearbeitet und in die Rentenkasse eingezahlt hat, eine große Rolle.
Im Gesundheitswesen ist es ähnlich. Die Zahl der Patienten und Pflegebedürftigen und das, was sie kosten bzw. einbringen, sind wichtiger denn je.
Für die Frage der neuen Kita-Um- und Neubauten rund um Hermeskeil sind die Kinderzahlen wichtig und die gehen in den nächsten Jahren rapide zurück und stellen vieles wieder in Frage.
Und auch in unserer Pfarrei wird gezählt: Um irgendwann eine Entscheidung treffen zu können, welche Kirchen weiterhin bezuschusst und regelmäßig genutzt werden, spielt die Gottesdienstbesucherzahl eine Rolle.
Das Mehrgenerationenhaus, das in Trägerschaft der katholischen Pfarrgemeinde ist, ermittelt auch seine Nutzerinnen und Nutzer: Im vergangenen Jahr waren es 20.000!
Mitten in die Anordnung des Kaisers Augustus, die Welt zu zählen, so der Evangelist Lukas, wird Jesus geboren: wird Gott Mensch. Als wolle er mir und dir damit sagen: Zahlen sind nicht das Entscheidende, sondern die einzelne Person.
Und so ist die Weihnachtsgeschichte voll von Personen, die dem Jesuskind begegnen, die er bewegt. Seien es Maria und Josef, die zusammen gehen und halten.
Seien es die Hirten, die für die Menschen stehen, die zu oft übersehen werden, die nichts oder nur wenig wirtschaftlich einbringen. Sie sind die, die als erstes den menschgewordenen Gott sehen.
Aber auch die Weisen aus dem Morgenland, die für die “Gebildeten” und vielleicht auch “Wohlhabenderen” stehen, werden gerufen in die Begegnung mit dem Jesuskind, nicht als Zahl, sondern als Personen.
Weil in der Herberge kein Platz war, wird Jesus in einem Stall geboren. Wahrscheinlich zählten auch hier Zahlen mehr als die Personen.
Vielleicht ist das ein Impuls für uns “rund um Hermeskeil”, dass wir bei allem so scheinbar wichtigen Zählen, nicht die Personen hinter den Zahlen vergessen. Hinter jeder Zahl, die für die Wehrfähigkeit unseres Landes gebraucht wird, steckt eine Person. Und das gilt für das Gesundheitswesen ebenso wie für Bildung und Erziehung. Bei der Frage nach Kita-Neu- und Umbauten geht es nicht nur um Zahlen, es geht um konkrete Kinder und ihre Familien. Es gilt für unsere Gottesdienstteilnehmerinnen und -teilnehmer und es gilt für die Nutzerinnen und Nutzer des MGH.
Die Geburtsgeschichte Jesu ist in die (wenn auch historisch fragwürdige) Zählung des Erdkreises eingewoben. Maria und Josef machen sich auf den Weg, um sich eintragen, zählen zu lassen. Gott macht dies in seiner Menschwerdung mit, unterwirft sich dem demütig, um mitten unter denen zu sein, die nur nach Zahl und nach Wirtschaftsleistung berechnet werden.
Vergessen wir hinter allem, was so gezählt wird, die einzelnen Menschen nicht, weder die, die sich engagieren, noch die, die sich für andere einsetzen!
Wir sind mehr als Zahlen, wir sind mehr als das, was wir leisten und bringen!
Und Gott ist übrigens auch mehr als das, was er “bringt”. Viele zweifeln und verzweifeln ja auch gerade daran. “Wieso ich und nicht die anderen?”, ist eine Frage, wenn Schicksalsschläge mich treffen. “Wieso scheint Gott nicht einzugreifen und zu helfen?”
Zu schnell denken wir auch von Gott nur vom Nutzen her, was er uns bringt. Er möge doch - allmächtig wie er ist – eingreifen und alles im Handumdrehen lösen. Zu oft habe ich einen Anspruch an Gott (aber auch den Menschen), wie an einen Internetversandhandel. Sofort möchte ich gern alles - spätestens in 24 Stunden - geliefert bekommen.
Aber Gott ist anders und bringt anderes: Nicht einen Nutzen, sondern die Liebe, nicht irgendwelche Zahlen, sondern ein Gesicht. Er kommt menschlich, personal und er will dich und mich nicht als Zahl, sondern mit Gesicht als einzigartige und als von ihm geliebte Person.
Wir wollen dies in den Weihnachtskrippen in der Kloster- und in der Martinuskirche ganz besonders ausdrücken und brauchen dazu Ihre und eure Hilfe. Wer gerne mit einem Bild oder Selfie von sich Teil der Krippenlandschaft werden will, schicke per Mail ein Bild an christian.heinz@bistum-trier.de. Wir werden die Bilder ausdrucken und in die Krippenlandschaften in Kloster- und Martinuskirche integrieren, damit deutlich wird, für wen Gott Mensch wird und was Gott in dieser Welt sucht: konkrete Menschen.
Im Namen aller Mitarbeitenden in Pfarrei und MGH wünsche ich einer jeden und jedem Einzelnen von Herzen ein frohes und gesegnetes Weihnachtsfest und die weihnachtliche Erfahrung, dass wir mehr als eine Zahl sind, sondern geliebte Personen – jede und jeder von uns!
Das Bild zeigt einen Hirten der großen Weihnachtskrippe in Thomm. Die Besonderheit dort: Viele Krippenfiguren tragen die Gesichtszüge von Menschen, die mit Thomm verbunden sind. Diese hier soll die Gesichtszüge des aktuellen Thommer Pfarrers Dekan Christian Heinz tragen.