Der Angeklagte macht von Beginn an einen reumütigen Eindruck. „Es war vielleicht ein Fehler, es hat sich halt alles ein bisschen hochgeschaukelt“, erklärt er, nachdem er die Vorwürfe der Anklage - Körperverletzung und Bedrohung - eingestanden hat. Hintergrund ist ein Streit zwischen Kindern - seiner Tochter und der Schwester eines fast erwachsenen jungen Mannes - auf einem Spielplatz gewesen, der sich vor einiger Zeit in einem Hochwalddorf zugetragen hat. Irgendjemand hat ihn angerufen und davon erzählt, da ist er sofort hingefahren und selbst mit dem jungen Mann, dessen Eltern ebenfalls anwesend sind, in Streit geraten. Als dieser, so berichtet es der Angeklagte, „drohend auf ihn zugekommen“ sei, habe er ihm eine Kopfnuss verpasst. „Der ist krank!“, hätten die Eltern gerufen und er daraufhin: „Gleich ist er richtig krank!“ Man merkt dem Angeklagten an, dass ihn die Sache heute noch ein wenig aufregt. Doch die Frage von Richterin Sarah Weber, ob sich die Situation inzwischen beruhigt habe, bejaht er: Man rede wieder ganz normal miteinander und die Kinder spielten auch wieder zusammen in der Schule.
Im Prinzip bestätigt der junge Mann, der als Zeuge geladen ist, die Aussagen des Angeklagten. Davon, dass er drohend auf ihn zugegangen sei, will er aber nichts wissen - im Gegenteil: „Er kam auf mich zu, hat mich geschubst und mir eine Kopfnuss gegeben“, sagt er. Die kurzzeitigen Folgen sind eine Prellung, die sich die Beteiligten nun im Gerichtssaal auf Fotos ansehen, und eine Zeit lang Kopfschmerzen. Was nun gegen den Angeklagten spricht, sind fünf Einträge im Bundeszentralregister, darunter auch schon einmal Körperverletzung. Mehrmals ist er mit Geldstrafen davongekommen; zuletzt hat es aber eine Freiheitsstrafe gegeben, die zur Bewährung ausgesetzt wurde.
Die Staatsanwältin sieht keinen Rechtfertigungsgrund für die Tat: „Das war keine Notwehr“, führt sie in ihrem Plädoyer aus und beantragt, den Angeklagten zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten zu verurteilen. „Eine Geldstrafe erzielt hier keine Abschreckung mehr“, meint sie. Doch sie stellt dem Mann, der in gefestigten Verhältnissen lebt, eine günstige Sozialprognose, weshalb ihrer Ansicht nach die Strafe zur Bewährung ausgesetzt werden kann. Der Angeklagte, der sichtlich „geknickt“ ist, hat nichts mehr zu sagen.
Das Gericht folgt der Anklage. In ihrer Urteilsbegründung führt Amtsgerichtsdirektorin Sarah Weber aus, dass weder die Körperverletzung noch die Bedrohung gerechtfertigt gewesen sei, auch nicht, wenn der andere tatsächlich auf den Angeklagten zugekommen sei. „Sie hätten sich ja auch zurückziehen können“, erklärt sie. Stattdessen sei er „auf Angriff gegangen“. Sie habe zwar Verständnis dafür, dass er sich aufgeregt habe, doch letztlich habe er überreagiert. Eine Freiheitsstrafe halte sie auch für notwendig, damit der Angeklagte in Zukunft nicht mehr straffällig werde.
Der Mann ist einsichtig, und weil sowohl er als auch die Anklägerin erklären, auf Rechtsmittel zu verzichten, wird das Urteil sofort rechtskräftig. (WIL-)