Von Bernd Willems
Anfang 1923 eskaliert in den von Frankreich besetzten linksrheinischen Gebieten die Situation. Weil das Deutsche Reich der Auflage zu Reparationszahlungen nicht in vollem Umfang nachkommt, besetzen französische und belgische Soldaten im Januar das Ruhrgebiet; die Besatzer greifen zur Selbstbedienung. Die Reichsregierung reagiert darauf mit einem Aufruf zum Generalstreik, dem Industrie, Gewerbe, Verwaltung und andere Institutionen größtenteils folgen. Beamte und Arbeiter der Reichsbahn verweigern den Dienst, die Bahnstrecken in der Region – auch die Hochwaldbahn von Trier nach Hermeskeil – werden stillgelegt.
Die Franzosen wiederum übernehmen die Bahn als sogenannte „Regiebahn“, weisen Eisenbahner aus dem besetzten Gebiet aus und ersetzen sie durch französische und belgische Beamte. Außerdem schreiten die Besatzer im Hinblick auf die eingestellten Reparationszahlungen auch bei uns zur Selbstbedienung: Im Hochwald werden französische Forstbeamte und italienische Waldarbeiter eingesetzt, um ganze Landstriche zu entwalden und das Holz nach Frankreich zu schaffen. Auch Oberförster Fuchs wird von den Franzosen ausgewiesen und die Oberförsterei beschlagnahmt. Der Name dieses ersten Revierverwalters im Hochwald (seit 1897) lebt heute noch im „Fuchsbau“, einem 1899 auf dem Sandkopf[1] errichteten Jagdhaus, weiter.
Wie rabiat die Besatzer vorgehen, ...
...darüber berichten überregionale Presseorgane, insbesondere die „Kölnische Zeitung“, im Laufe des Jahres ausführlich:
„Von den gestern mitgeteilten Ausweisungen auf dem Hochwald wurden, wie wir erfahren, nur drei aufrechterhalten, und zwar die des Werkstättenvorstehers Umhöfer, des Kassenvorstehers Schoppan aus Hermeskeil und des Bahnhofsvorstehers Oßmann in Nonnweiler. Die sämtlichen Eisenbahnbeamten waren nach Trier gebracht worden und wurden hier vernommen. Dabei wurden sie nach ihrem Geburtsort gefragt. Die Ausweisung der drei Genannten, die rechtsrheinisch geboren sind, wurde aufrechterhalten, während die andern heimgeschickt wurden. Ob die Tatsache, daß die Heimgeschickten linksrheinisch geboren sind, der wirkliche Grund der Zurücknahme der Ausweisung ist, konnten wir noch nicht erfahren, da die Besetzungsbehörde den Verhafteten gegenüber nähere Auskunft verweigert hatte... („Kölnische Zeitung“ vom 12. April 1923).
„Ausgewiesen wurden in Trier und Umgegend wieder eine ganze Anzahl von Zoll- und Bahnbeamten... In Hermeskeil wurden die Möbel des Abgeordneten Lohmer und des Notars Cremer beschlagnahmt“ („Kölnische Zeitung“ vom 1. Juni 1923).
„Im Bezirk Trier sind die Franzosen zur Beschlagnahme von Möbeln zur Unterbringung von Eisenbahnern und Förstern übergegangen. Im Hermeskeil hat die Besatzung Möbel für 23 Zimmer angefordert. Infolge der Weigerung der Einwohner, Möbel abzugeben, wurden teilweise abgestellte Möbeleinrichtungen von Ausgewiesenen, teilweise von in Hermeskeil ansässigen Bürgern beschlagnahmt...“ („Kölnische Zeitung“ vom 4. Juni 1923).
„Ausgewiesen wurden in Hermeskeil mit Familien Bürgermeistereisekretär Schneider, Katasterkontrolleur Meschke, Gemeindeoberförster Schäfer, die Zugführer Barthel und Bonertz sowie die Reservelokomotivführer Schulte, Schneideler und Kniwel“ („Kölnische Zeitung“ vom 11. Juli 1923).
„Ausgewiesen wurden in Kochem unter den bekannten rücksichtslosen Umständen 45 Eisenbahnerfamilien. In Hermeskeil wurden ausgewiesen der Beigeordnete der Bürgermeisterei und Verleger der Hochwaldzeitung Joseph Lohmer, Lokomotivführer Maas und in Abtei der Bahnassistent Salm („Kölnische Zeitung“ vom 16. Juli 1923).
„Ausgewiesen wurden... in Hermeskeil der stellvertretende Bürgermeister Trösch. die Polizeiassistenten Schneiders und Schömer, Polizeisergeant Servene“ („Kölnische Zeitung“ vom 22. Juli 1923).
Das Ende einer verdienstvollen Zeitung
„... Den ungeheuern Schwierigkeiten, denen die Zeitungen ausgesetzt sind, fällt wieder ein angesehenes Blatt nach 36jährigem Bestehen zum Opfer. Mit Ende dieses Monats stellt die in Hermeskeil erscheinende Hochwaldzeitung ihr Erscheinen ein, da sie durch Ausweisung ihres Verlegers, Lohmer, ihren Betrieb nicht mehr aufrechterhalten kann. Das Fehlen des stets treudeutschen Blattes wird sich auf dem Hochwald noch oft recht empfindlich bemerkbar machen... Hoffentlich ermöglicht eine bessere Zeit bald wieder das Aufleben des verdienten Blattes“ („Kölnische Zeitung“ vom 23. Juli 1923).
„Ausgewiesen wurden gestern in Hermeskeil der Zahnarzt Dr. Werle, der praktische Arzt Dr. Wirtz, Apotheker Haller, Notar Krämer, Amtsgerichtsrat Poetzner, Postmeister Schmalstich und der Justizobersekretär Schlehfurt. Die Familien müssen in vier Tagen folgen. Auch diese Meldung zeigt wieder, daß irgendeine menschliche Rücksichtnahme auf die Bevölkerung seit dem Ruhreinbruch nicht mehr besteht („Kölnische Zeitung“ vom 25. Juli 1923).
„Im Bezirk Trier treffen die Franzosen in den Hochwaldgebieten umfassende Maßnahmen zur Abholzung der deutschen Staatswaldungen. In nächster Zeit werden nach Hermeskeil ein französischer Oberförster und 40 Förster überwiesen. Zurzeit sollen 500 italienische Waldarbeiter mit dem Schlagen und Aufbereiten des Holzes beschäftigt sein“ („Berliner Börsen-Zeitung“ vom 31. August 1923).
Rückkehr der Ausgewiesenen
Erst als es im darauffolgenden Jahr Außenminister Stresemann in Verhandlungen mit dem französischen Außenminister Briand gelingt, eine Einigung zu erzielen, werden die Willkürmaßnahmen der Besatzungstruppen beendet, ebenso der passive Widerstand. Die Inhaftierten werden aus den Gefängnissen entlassen und die Ausgewiesenen können in ihre Heimat zurückkehren. Alle öffentlich Bediensteten dürfen nun auch den Dienst bei ihrer Heimatbehörde wieder aufnehmen. (wird fortgesetzt, Quellenangaben im letzten Teil der Serie)
[1] Der Sandkopf liegt auf einer gedachten Linie genau in der Mitte zwischen Damflos und Börfink und ist mit 757,4 Metern die höchste Erhebung im Kreis Trier-Saarburg.