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Rund um Hermeskeil
Ausgabe 6/2025
Aus dem Gerichtssaal
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Das tut ihm irgendwann vielleicht doch noch leid

Ein Mann ist angeklagt, weil er zum wiederholten Mal ohne Führerschein beim Autofahren erwischt worden ist. Auf seine Anwesenheit im Gerichtssaal wartet man aber vergebens. Das wundert Richter Dr. Zierden und die Staatsanwältin nicht, denn es ist bekannt, dass der Angeklagte der sogenannten „Reichsbürgerbewegung“ angehört. Das sind Personen, die die Existenz der Bundesrepublik Deutschland verneinen und behaupten, das Deutsche Reich bestehe weiter, entweder in den Grenzen des Kaiserreichs oder in denen von 1937. Die Regierung sehen sie als eine privatrechtliche GmbH, zu der auch alle Institutionen einschließlich der Gerichte gehören. Dass sie dann auch glauben, sich nicht an Gesetze halten zu müssen, erschließt sich von selbst. Wen wundert es also, wenn sie auch kein Problem damit haben, sich ohne Führerschein ans Steuer zu setzen.

„Reichsbürger“ interessieren sich erfahrungsgemäß auch nicht für den Inhalt großer gelber Briefumschläge, mit denen z.B. Ladungen zu einer Gerichtsverhandlung oder andere Verwaltungsakte förmlich zugestellt werden. Ich erinnere mich an einen Fall während meiner aktiven Dienstzeit, in dem sich solche Umschläge unter der Fußmatte gestapelt haben. Der Verwaltungsakt ist in diesem Fall trotzdem zugestellt, und zwar durch sogenannten „Niederlegung“, die von dem Zusteller dokumentiert wird. Obwohl der Empfänger dann faktisch keine Kenntnis vom Inhalt des gelben Briefs hat, muss er ihn gegen sich gelten lassen. Sich zu verhalten wie der berühmte Vogel Strauß, der bei Gefahr angeblich den Kopf in den Sand steckt, bringt also überhaupt nichts.

Anklägerin und Richter sind sich nach der obligatorischen Wartezeit von 15 Minuten schnell einig, wie es in dem Fall nun weitergehen soll: Das Verfahren wird ausgesetzt und Dr. Zierden erlässt einen Strafbefehl über 150 Tagessätze zu 30 Euro, insgesamt also 4500 Euro. Der wird natürlich auch in einem großen gelben Umschlag förmlich zugestellt, aber aller Voraussicht nach nicht von dem Angeklagten geöffnet werden. Doch spätestens wenn der Gerichtsvollzieher vor der Tür steht, um zu kassieren oder verwertbare Gegenstände zu pfänden, wird er wach. Dann tut es ihm vielleicht doch leid, dass er den Umschlag nicht geöffnet hat. (WIL-)