Lämmerball 1984: Vor "Beichtveter" Heinz Jostock bekennt Stadtbürgermeister Karl-Heinz Dahlke seine "Sünden", die er im Amt begangen hat.
von Bernd Willems
Es ist schon beinahe 50 Jahre her: Im Januar 1978 staunten einige Hermeskeiler nicht schlecht, als sie in der RuH-Ausgabe Nr. 3 vom 19. des Monats die Ankündigung für einen „Lämmerball im Hirtenhaus“ lasen, der am fetten Donnerstag im Johanneshaus stattfinden sollte. Unter dem Motto „Frohsinn im Johanneshaus, Freude rein und Ärger raus“ wurde von einem „Arbeitskreis Fastnacht“ ein karnevalistischer Abend mit Musik, Tanz und Büttenreden bekannter Hermeskeiler Karnevalisten angekündigt.
Was war da los? Der KV Ruck Zuck veranstaltete seinerzeit in der Karnevalszeit noch zwei Kappensitzungen und die Katholische Frauengemeinschaft bot ebenfalls eine Sitzung nur für Frauen an. Wollte man hier in Konkurrenz treten? Keineswegs, wie sich eine Woche später herausstellte. Weil die Ankündigung „von einigen Lesern missverstanden“ worden war, schob der Arbeitskreis am 26. Januar in RuH Nr. 4/1978 eine Erklärung nach. Die Frauen und Männern im „Arbeitskreis Fastnacht“ organisierten einen Fastnachtsabend „einmal aus reinem Spaß an der Freud und zum anderen, um mit dem zu erwartenden Reinerlös einen weiteren Baustein für die Renovierung der Pfarrkirche liefern zu können“. Man wolle keinesfalls mit der Frauengemeinschaft und dem KV Ruck Zuck konkurrieren; man habe am fetten Donnerstag „eine Veranstaltungslücke erspäht und für den angekündigten Zweck genutzt“.
Dem Arbeitskreis gehörten u.a. Karl-Heinz Dahlke, Leiter der Realschule und später Stadtbürgermeister, seine Frau Uschi sowie Heinz Jostock, Konrektor der Hauptschule, an. Sie sollten im weiteren Verlauf die tragenden Säulen der Veranstaltung sein, schrieben Büttenreden und Liedtexte und traten auch bei jedem Lämmerball auf. Karl-Heinz Dahlke moderierte als „Oberteufel“ die Sitzungen, später auch Uschi Dahlke als Clown.
Auch wenn „vieles improvisiert“ war, wie RuH schrieb, war schon der erste Lämmerball 1978 ein durchschlagender Erfolg. „Da wurde gesungen, geschunkelt und geklatscht, da stiegen immer wieder Raketen und das ‚Rio Duo‘1 kam ins Schwitzen“, berichtete der RuH-Reporter in der Ausgabe Nr. 6/1978 und schloss mit den Worten: „Die Lämmer fühlten sich wohl im Hirtenhaus und wollen nächstes Jahr wiederkommen.“
Und so ging es in den kommenden Jahren mit wachsendem Erfolg weiter. Weil man ja auch einen „Schlachtruf“ brauchte, aber nicht auf das traditionelle „Helau“ zurückgreifen wollte, antwortete die Herde auf den Zuruf „Ihr Lämmer“ brav mit „Määääh“. Großartige Stimmung und viel Applaus bescheinigte der RuH-Berichterstatter dem zweiten Lämmerball in Nummer 9/1979 und meinte, dieser „dürfte sich im närrischen Treiben der Hermeskeiler Fastnacht einen Stammplatz erobert haben“. 1980 war er laut RuH schon „zur Tradition geworden“ und zeichnete sich durch eine große Anzahl origineller Beiträge aus, die lauten Beifall und lang anhaltende Lachsalven hervorriefen.
Stets einer der Höhepunkte war das Männerballett. Ich erinnere mich, wie einmal eine Gruppe von „Menschenfressern“ um einen großen Kessel tanzte, in dem ein Missionar (Alois Eiden, genannt „Auern Alwis“) gekocht wurde und wie ein andermal „Dschingis Khan“ (Heinz Jostock) den „Krug“ - eine 50 Liter-Milchkanne - in einem Zug leerte. Da war ich zum ersten Mal „aktiv“ dabei, indem ich einen mächtigen Rülpser per Tonband beisteuerte.
Nach einer einzigen „schöpferischen“ Pause 1986 fand im Jahr 1987 wieder ein Lämmerball statt. Zusammen mit Karl-Heinz Dahlke und Heinz Jostock trat ich - alle in Frack und Zylinder - als „Bänkelsänger“ auf. Zur Melodie von „Heile heile Gänsje“ nahmen wir die Stadtpolitik und herausragende Persönlichkeiten aufs Korn. Es sollte für alle Zeiten der letzte „Lämmerball“ sein. Denn nachdem Heinz Jostock im Lauf des Jahres nach Schweich umgezogen war, wo er die Leitung der Hauptschule übernommen hatte, fehlte wohl eine der tragenden Säulen.
Der Verein der Freunde von St. Martinus startete erstmals am 4. Februar 2016 den Versuch, den Karneval wieder ins Johanneshaus zu bringen. Unter dem Motto „Wir feiern, bis der Turm sich dreht“ fand eine bunte Veranstaltung statt, der 2017 bis 2020 weitere mit dem Titel „Johanneshausball im MGH“ folgten. Der Serie setzten die Corona-Pandemie, die nur bescheidenen Erlöse und ein Schwund an Helfern und Aktiven jedoch ein Ende, wie der Vereinsvorsitzende Martin Eiden berichtet.
Viele Akteure des ursprünglichen „Lämmerballs“ sind leider längst verstorben. Uschi Dahlke ist eine der Wenigen, die noch als Zeitzeugen berichten können. „Woran ich mich am Liebsten erinnere ist, dass es immer eine tolle Gemeinschaftsaktion der verschiedensten Gruppen gewesen ist“, sagt sie. Ob Turnverein, Frauengemeinschaft, Ruck Zuck, die Messdiener und viele andere - alle seien mit viel Eifer und Freude dabei gewesen.
Als ich vor Kurzem Dekan Christian Heinz und Lena Weber so ganz nebenbei von dieser alten Geschichte aus den 1970/80er Jahren erzählte, waren beide sofort Feuer und Flamme: Das wäre doch was für das Kulturkloster, wo man diese alte Tradition wenigstens zum Teil wieder aufleben lassen könnte, meinten sie. Nach kurzem Überlegen stand für uns fest: Das machen wir!
Und so wird es am Mittwoch, den 26. Februar, also am Abend vor Weiberfastnacht, um 19.11 Uhr eine erste kleine Neuauflage des Lämmerballs im Klösterchen geben. Wobei „Ball“ natürlich zu viel gesagt ist, denn der Kirchenraum ist wegen der feststehenden Sitzbänke ja dafür nicht geeignet. Auch der Original-Lämmerball war ja nie eine Tanzveranstaltung, sondern eine Kappensitzung. In der Narrenmesse am 19. Januar kündigte Dekan Heinz die Veranstaltung mit „Eine Stunde Büttenreden, anschließend Umtrunk“ an. So soll es ein lockerer, unterhaltsamer und fröhlicher, karnevalistisch geprägter Abend werden.
Der Begegnungsverein Kulturkloster lädt zu dieser Veranstaltung herzlich ein.
1 Das waren die beiden Musiker Alfons Buhr und Ernst Ott, die schon seit Jahrzehnten derartige Veranstaltungen bereicherten.