Die Autorin Leona Riemann zeigte "Hunsrücker Lebensbilder" im Klösterchen.
Geistliches und kulturelles Leben im ehemaligen Franziskanerkloster - das hat sich der Begegnungsverein Kulturkloster auf die Fahne geschrieben. Regelmäßig finden dort wieder Gottesdienste statt, und nach einer eindrucksvollen Ausstellung und mehreren Konzerten wurde am vorigen Donnerstag zum ersten Mal eine Autorinnenlesung angeboten. Ein interessiertes und aufmerksames Publikum folgte der Einladung, um Geschichten aus dem Leben von Menschen, die normalerweise nicht in den Geschichtsbüchern auftauchen, zu lauschen.
Leona Riemann, Autorin aus Gödenroth bei Kastellaun, hat seit mehr als zehn Jahren unter dem Projekttitel „Hunsrücker“ bzw. „Hunsrücker Lebensbilder“ solche Geschichten nacherzählt, teils fantasievoll ausgeschmückt und in Buchform veröffentlicht. Für die Lesung im Klösterchen hatte sie drei Schicksale ausgewählt.
In der - wie sie zugibt, frei erfundenen - Erzählung „Die Frau des Löffelschnitzers“ beschreibt Riemann anschaulich einen Oktobertag 1744 im Waldhüttendorf Damflos. Man schließt beim Zuhören die Augen und sieht windschiefe Hütten auf einer Lichtung und eine Frau im fortgeschrittenen Alter, die sich im wahrsten Sinne des Wortes durch den Tag kämpft. Das elende Leben, das die dort angesiedelten Köhler und Holzhauer mit ihren Familien nach Schließung des Züscher Hammers führten, ist heutzutage kaum vorstellbar.
Realität ist dagegen die Geschichte des „Uhrmachers von Rhaunen“, recherchiert und rekonstruiert aus Zeitzeugenberichten. Julius Lenhardt, geboren 1881 im Saarland, führt als geschiedener Katholik ein Außenseiterdasein im Hunsrück. Er begeht kurz vor Kriegsende den Fehler, den ortsansässigen Nazis damit zu drohen, er werde „den Amis alles sagen“. Am 13. März 1945 findet man ihn leblos in seiner Wohnung, getötet durch einen Genickschuss. An ihn erinnert seit 2014 ein Stolperstein des Kölner Künstlers Gunter Demnig.
Mit „Ein Stock und sein Mann“ ist die Geschichte um einen neuen „Hermeskeiler“ untertitelt. Dessen stolzer Besitzer, wohnhaft am Einschieder Hof, gerät nach reichlich Alkoholgenuss wegen eben diesem Stock, der zu dieser Zeit im Hochwald als eine Art Statussymbol gilt, in Streit mit dem Bürgermeister von Börfink. Für letzteren endet die Sache, von Leona Riemann außerordentlich spannend erzählt, tödlich - eine wahre Begebenheit, die sich im Juli 1912 im Hochwald abgespielt hat, recherchiert aus Gerichtsakten und Zeitungsberichten. Unter den Zuhörern befanden sich eine Enkelin des Opfers und ein Angehöriger des Täters; beide haben sich vor einigen Jahren im Rahmen der Recherche kennengelernt.
Es war ein kurzweiliger Abend im Sälchen des Kulturklosters bei dieser Premiere und es kam am Ende noch zu einem anregenden Dialog mit der Autorin. Die kehrte übrigens am folgenden Tag noch einmal zurück in die Klosterkirche, um Fotos von den Fenstern zu machen, die ihr gut gefallen haben. (WIL-)