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Rund um Hermeskeil
Ausgabe 7/2025
Aus dem Gerichtssaal
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Sowas erlebt man nicht alle Tage

Der Sitzungssaal im Amtsgericht ist gut gefüllt: Schülerinnen und Schüler einer 8. Klasse der Integrierten Gesamtschule Hermeskeil warten mit ihrem Lehrer gespannt auf den Beginn der Verhandlung. Heute haben sie ihren Demokratietag (lesen Sie dazu den gesonderten Bericht in dieser RuH-Ausgabe).

Dem Angeklagten, einem großen, stattlichen Mann Mitte 60, wirft man Beleidigung und Bedrohung vor. Er soll einen anderen als „altes krankes Schwein“ bezeichnet und ihm Prügel angedroht haben. Er bestreitet das gar nicht. Schon bevor ihn Richter Dr. Zierden zur Sache befragen kann, plaudert er munter drauf los und sagt über den, der ihn angezeigt hat: „Er ist alt, er ist krank und er ist ein Schwein“, wobei er das Wort „ist“ jeweils betont. Seiner Aussage sei jedoch eine üble Provokation durch den anderen vorangegangen. Dieser habe ihn „auf das Übelste beschimpft und beleidigt“. Mit vollem Ernst berichtet er von seltsamen Vorkommnissen in dem Mehrfamilienhaus, in dem er lebt. Er hört nicht nur dauernd Geräusche wie z.B. einen hohen Ton, mit dem er von den Nachbarn „beschallt“ wird. „Wenn Besuch zu mir kommt, ist der Ton weg“, sagt er. Er erzählt auch von Stimmen, die er hin und wieder hört, vor allem einer weiblichen Stimme, die immer wieder seinen Namen flüstert.

Richter Dr. Zierden hört derweil mit großen Augen zu und stellt hin und wieder eine Zwischenfrage. Nach seiner Kindheit gefragt, berichtet der Angeklagte, seine Mutter habe ihn als kleinen Jungen immer zu älteren Frauen mitgenommen. „Da ist über Jesus gesprochen worden“, erzählt er. Nach seiner Schulbildung befragt, stockt der Mann zuerst: „Ich bin 64 Jahre, Sie fragen mich Sachen…“. Doch dann erklärt er in bestimmtem Ton: „Ich bin nicht durch schulische Bildung verblödet worden“ und offenbart, dass er weder an die Wissenschaft noch an den Klimawandel glaubt. Gearbeitet hat er hin und wieder als Maurer, aber nie für länger: „Überall war eine Reinkarnation der Frau (…). Die hat dafür gesorgt, dass ich meinen Job verliere.“ Heute lebt er von einer schmalen Rente und bekommt „Geld vom Bettelamt“. Der Richter lässt ihn eine Zeitlang weiter reden - es hat alles nichts mit der Sache zu tun -, wirft aber irgendwann ein, es habe früher mal eine Diagnose „paranoide Schizophrenie“ bei dem Mann gegeben. Der erklärt auf die Frage, ob er mal Drogen genommen habe, so mit 20, 22 Jahren mit Speed und Marihuana angefangen zu haben.

Dr. Zierden und die Staatsanwältin sind sich nun einig: Der Mann muss auf seine Schuldfähigkeit untersucht werden. Doch da rührt sich in ihm Widerstand: „Das mache ich nicht mit!“ Er lasse sich nicht von einem „studierten Blödmann“ untersuchen: „Der frage ihn ‚irgendeinen Sch…‘, den ich nicht verstehe“. Doch der Richter nur kurz und knapp: „Da können Sie sich nicht weigern!“ Woraufhin der Angeklagte nur noch meint: „Machen Sie, was Sie wollen, aber gehen Sie mir nicht auf die Nerven.“

Im Zuhörerraum war es währenddessen mucksmäuschenstill. Dafür werden die Mädchen und Jungen umso munterer, nachdem der Angeklagte und zwei weitere Zuhörer den Saal verlassen haben. Es ergibt sich ein reges Frage- und Antwortspiel, das Richter und Staatsanwältin gerne mitspielen. Die Schüler erfahren, dass jetzt ein Psychiater herausfinden muss, ob der Mann überhaupt schuldfähig ist; falls nicht, kann er nämlich nicht verurteilt werden. Bereitwillig antwortet Dr. Zierden auch auf die Fragen, was ein Richter verdient und ob er Spaß an seinem Beruf hat. Er sei seit vier Jahren Richter, erklärt er, und es mache ihm ganz viel Spaß, weil es ein spannender Beruf sei, an dem nicht jeden Tag dasselbe passiere. Anmerkung: Der heutige Tag war dafür das beste Beispiel. (WIL-)