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Rund um Hermeskeil
Ausgabe 8/2024
Aus dem Gerichtssaal
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Die Sache macht ihm ziemlich zu schaffen

Ein recht ungewöhnlicher Fall spielt sich diesmal im Sitzungssaal des Hermeskeiler Amtsgerichts ab. Schon die Sache klingt spannend: Ein junger Polizeibeamter ist wegen Besitz von Betäubungsmitteln angeklagt; Kollegen haben ihn bei einer nächtlichen Verkehrskontrolle damit erwischt. Die Sache macht ihm offenbar ziemlich zu schaffen, denn er drückt sich vor der Verhandlung. „Er liegt seit acht Tagen im Bett und steht unter Medikamenten und Alkohol“, erklärt der Verteidiger, nachdem er mit der Mutter telefoniert hat. Der Rechtsanwalt wirkt verstimmt. „Wenn er sich aus Angst vor der Verhandlung eine Flasche Whiskey reinpfeift und sich von der Mutter entschuldigen lässt, sieht das nach vorsätzlich herbeigeführter Verhandlungsunfähigkeit aus“, meint er.

Richterin Buchenberger stellt nun die Frage in den Raum, ob das Gericht auch ohne den Angeklagten verhandeln und entscheiden kann - eine interessante und ein wenig spannende Frage, die die drei Berufsjuristen - Richterin, Staatsanwalt und Verteidiger - nicht auf Anhieb beantworten können. Doch nachdem sie ein wenig in ihren dicken Kommentaren zur Strafprozessordnung nachgelesen haben, sind sie sich einig: Es geht. Bestärkt werden sie in diesem Ergebnis von dem anwesenden Sachverständigen, einem Toxikologen, der sagt, dass sein Gutachten „verlesbar“ und er nur für Nachfragen und Erläuterungen persönlich da ist. So entbindet das Gericht den Angeklagten für diesen Termin vom persönlichen Erscheinen.

Recht ausführlich legt der Sachverständige dar, was man im Brustbeutel des Angeklagten gefunden hat. Es sind in zwei Briefchen insgesamt 0,6 Gramm eines weißen Pulvers gewesen, etwas mehr als die Hälfte davon Amphetamin mit Koffein vermischt - „eine typische Konsumeinheit“, sagt der Fachmann -, doch eine Aussage darüber, wie hoch die darin enthaltene absolute Menge an Betäubungsmittel ist, kann er nicht treffen. „Ich kann aber sagen, dass es nicht nur eine Spur war“, das Koffein sei ein Streckmittel. Die Probe ist allerdings nicht mehr vorhanden.

In der nun folgenden Diskussion unter den Juristen sieht der Verteidiger deshalb eine Chance: „Es gibt keine Probe mehr, wir können keine Aussage zur Menge treffen, also soll der Angeklagte sozusagen auf Verdacht verurteilt werden.“ Gegen seinen Mandanten laufe „ein Mega-Disziplinarverfahren“, das wohl mit erheblichen beruflichen Konsequenzen enden werde. Deshalb schlägt der Anwalt eine Einstellung des Strafverfahrens vor. Dem Staatsanwalt bereitet das sichtlich Unbehagen. Weil er aber den Fall in seiner Behörde nicht selbst bearbeitet hat, geht er telefonieren. Als er zurückkommt, winkt er ab: „Keine Einstellung, sondern Schuldspruch oder Freispruch“, fasst er das Ergebnis des Anrufs kurz und knapp zusammen. Auch der weitere Versuch des Verteidigers, vielleicht doch noch die Einstellung zu erreichen, weil er wegen der geringen Menge das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung in Zweifel zieht, fruchtet nicht, denn der Staatsanwalt bejaht das klar: „Weil es um einen Polizeibeamten geht“, sagt er.

Der Sachverhalt sei nicht kompliziert gelagert, erklärt der Ankläger in seinem Plädoyer und betont, dass es sich bei dem Stoff um eine typische Konsumeinheit gehandelt hat. „Niemand, vor allem kein in solchen Angelegenheiten besonders sensibilisierter Polizist, bewahrt Amphetamin im Portemonnaie auf, ohne zu wissen, was das ist“, ist er sich sicher. Er fordert - wie im Strafbefehl, gegen den der Mann Einspruch eingelegt hat - eine Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu 80 Euro für den Angeklagten.

Der Verteidiger bleibt bei seiner Strategie und meint, nach der Rechtsprechung sei etwas kein Betäubungsmittel, wenn es für den menschlichen Konsum nicht mehr geeignet sei. Hier müsse ja das Gericht die Menge kennen um zu beurteilen, dass sie zu einem Rausch führe. „Ohne die Kenntnis der Menge wissen wir also nicht, ob es sich um ein Betäubungsmittel handelte“, gibt er zu bedenken und beantragt Freispruch.

Das Gericht folgt im Grundsatz der Staatsanwaltschaft und verurteilt den Angeklagten zu 20 Tagessätzen. Da Amphetamin dem Betäubungsmittelgesetz unterfalle, komme es ihres Erachtens „nicht im Detail auf die Menge an, wenn es sich nicht nur um eine Spur handelt“, sagt Richterin Buchenberger. Zu Gunsten des Mannes habe sie berücksichtigt, dass es sich um eine „absolut geringe Menge“ gehandelt habe, seit dem Strafbefehl schon eine längere Zeit vergangen sei und das Disziplinarverfahren voraussichtlich erhebliche Folgen haben werde. Deshalb habe sie einen „Abschlag“ gegenüber dem Strafbefehl vorgenommen und die Zahl der Tagessätze reduziert.