Die Gedenkstätte SS-Sonderlager/KZ Hinzert hält uns heute Lebenden die Erinnerung an die Gräueltaten wach, die hier in der Zeit von 1939 bis 1945 an überwiegend luxemburgischen und französischen Gefangenen begangen wurden. Wohl einer der übelsten Täter im KZ Hinzert war kein deutscher SS-Mann, sondern ein Schweizer namens Eugen Wipf, der 1948 in seinem Heimatland vor Gericht gestellt und zu lebenslanger Zuchthausstrafe verurteilt wurde.
Eugen Wipf (1916-1948), geboren in der Gemeinde Dorf am Irchel (Kanton Zürich), tritt nach einer verkorksten Jugend, in der er eine Schmiedelehre abbricht, sich als Stallbursche und Handlanger durchschlägt und früh dem Alkohol verfällt, im Anschluss an seine Militärdienstzeit 1936 in den Schweizer Grenzschutz ein. Als er dort nach kleineren Delikten, die er im Zustand der Trunkenheit begeht, in den Arrest kommt, gelingt es ihm zu fliehen und er passiert im August 1940 die Grenze zum Deutschen Reich.
Die „Neue Zürcher Zeitung“ schreibt in einem Artikel vom 3. Juli 2017: „Gegenüber der Gestapo, die ihn sogleich aufgreift, behauptet er, ‘Frontist’ und damit ein politischer Flüchtling zu sein, wettert über die ‘Verjudung der Schweiz’… Er bekommt Arbeit, aber wegen seiner Trunksucht auch bald neue Probleme. Er verschuldet sich, mokiert sich im Suff über das Dritte Reich, wird von den Nazis verprügelt, mit Gefängnis bestraft und im November 1941 schliesslich als ‘Asozialer’ ins Konzentrationslager Hinzert gesteckt. In dem KZ in unmittelbarer Nähe zur luxemburgischen Grenze beginnt sein fataler Aufstieg.“
Weil er sich hier den SS-Schergen andient, z.B. indem er Härte gegenüber Mitgefangenen zeigt und diese denunziert, wird er schon nach zwei Monaten Stubenältester. Im Herbst 1943 setzt man ihn schließlich als „Kapo“1 ein. Im Rahmen dieser Tätigkeit begeht er scheußliche Verbrechen an seinen Mitgefangenen, von denen er nachweislich mindestens 14 - teils auf bestialische Weise - ermordet.
Als ihm der Lagerkommandant im Sommer 1944 eröffnet, er sei entlassen und könne sich wegen guter Führung der Waffen-SS anschließen, ist Wipf einverstanden. Im Kriegseinsatz an der Oder wird er verwundet und evakuiert und landet schließlich in einem Lazarett in Bregenz. Von dort macht er sich kurz vor der deutschen Kapitulation in Zivilkleidern aus dem Staub, überquert den Rhein und wird von der schweizerischen Militärpolizei festgenommen, weil er wegen seiner Fahnenflucht von 1940 noch eine Strafe absitzen muss. Wie die NZZ weiter berichtet, wird Wipf wegen des Eintritts in die Waffen-SS auch noch zu 15 Monaten Gefängnis verurteilt. „Trotzdem ist der ‘Capo Suisse’ erleichtert: Von seinen Greueltaten in Hinzert ahnt in der Schweiz offenbar niemand etwas“, schreibt die Zeitung.
Seine Vergangenheit holt ihn dann aber dennoch ein, als den Zürcher Verleger Emil Oprecht 1946 ein Freund aus Luxemburg ganz beiläufig auf einen Schweizer namens Wipf anspricht, der bei seinen Landsleuten als mörderische Bestie verschrien ist. Der schockierte Oprecht informiert die Bundesanwaltschaft, die Ermittlungen aufnimmt und Zeugen befragt. Und so startet im Juli 1948 unter großem öffentlichem Interesse der Prozess gegen Wipf, bei dem zwanzig Luxemburger und vier Franzosen als Zeugen von den Verbrechen des Schweizers in Hinzert berichten.
Den zeitgenössischen Bericht über den Prozess aus der Zeitung „Aufbau“, Ausgabe Nr. 31 vom 30. Juli 19482, lesen Sie in der nächsten RuH-Ausgabe. (WIL-)
1 Kapos, auch Capos, waren „Funktionshäftlinge“ in einem Konzentrationslager. Als Mitarbeiter der Lagerleitung mussten sie andere Häftlinge beaufsichtigen und deren Arbeit anleiten, sprich: „für Zucht und Ordnung“ zu sorgen. Dafür erhielten sie Vergünstigungen, wie z.B. die Zuteilung von Alkohol oder den Besuch von Lagerbordellen.
2 „Aufbau“, eine deutsch-jüdische Exilzeitung, erschien von 1934 bis 1950 in deutscher und englischer Sprache in New York. Mitherausgeber waren zeitweise Persönlichkeiten wie Albert Einstein, Thomas Mann und Stefan Zweig. Zu den Autoren gehörten u.a. Hannah Arendt, Max Brod, Martin Buber, Lion Feuchtwanger, Oskar Maria Graf, Thomas Mann, Ludwig Marcuse und Carl Zuckmayer.
(Quelle: wikipedia)