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Nachrichtenblatt der VG Bodenheim
Ausgabe 35/2023
Amtlicher Teil
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Informationen zum Sachstand, zu den Auswirkungen und zu den Ursachen des Starkregen-Ereignisses vom 16.08.2023

Das sich am Mittwochabend des 16.08.2023 über unserer Gemeinde Bodenheim und anderen Orten der Verbandsgemeinde entladende gewittrige Unwetter muss im Umfang, in seiner Intensität und in seinen Auswirkungen als gewaltig und historisch eingeordnet werden. In etwa einer Stunde fielen 52,2 mm /m² (= 52 Liter Wasser pro m²) Niederschlag. Dies entspricht einem 100-jährigen Niederschlagsereignis. Diese extrem hohe Niederschlagsmenge führte in der Folge in nahezu allen innerörtlichen Lagen zu bedrohlich einwirkenden Wassermassen und an etlichen Stellen zu massiven Schädigungen. Davon war private Gebäudesubstanz in hoher dreistelliger Anzahl ebenso wie drei gemeindliche Liegenschaften in Bodenheim betroffen.

Das sich in den innerörtlichen Siedlungsflächen sammelnde und dann in tiefere Siedlungslagen abfließende Oberflächenwasser verursachte an den bekannten Straßen- und Geländetiefpunkten (Rheinstraße, Wormser Straße, Schillerstraße, Sportanlage Guckenberg) kaum noch bekannte Wasserstandshöhen.

Es kann jedoch auch positiv festgestellt werden, dass aus den westlich der Ortslage liegenden Hangflächen keine nennenswerten Wassermengen in die Ortslage eindrangen. Dies war auch an den größtenteils schlamm- und geröllfreien angesammelten Wassermassen zu erkennen. Hierbei stellte sich das um Bodenheim herum ringförmig angelegte Grabensystem mitsamt den Versickerungsbecken als insgesamt funktionsfähiges, vorgeschaltetes Abfluss- und Rückhaltesystem mit hoher Schutzfunktion heraus. Das System wurde im Rahmen des Flurbereinigungsverfahrens in den 1970er/1980er-Jahren errichtet. Ohne diese Einrichtung wären die Schäden mit Sicherheit noch verheerender gewesen.

Das von der VG beauftragte, im Prüfentwurf vorliegende Hochwasserschutz- und Starkregenvorsorgekonzept hebt die große Bedeutung dieses Graben- und Versickerungskonzepts als Hochwasserschutz für die Bodenheimer Ortslage hervor. Das Gutachten weist lediglich auf zwei Schwachpunkte hin, für die bereits die Überplanung begonnen hat. Das unter Mitwirkung der Bürgerschaft erarbeitete Konzept liegt zurzeit zur Freigabe in den übergeordneten Fachbehörden und soll Ende 2023 den Gremien und der Öffentlichkeit vorgestellt werden.

Dass es trotz dieses Grabensystems zu massiven Schädigungen kam, ist eindeutig den in kurzer Zeit

1.

Wassereintritt in die Gebäudekeller zumeist durch Fenster, tieferliegende, z.T. ungeschützte Kellereingänge infolge hoher Wasserstände in der Geländeumgebung (Straße, Garten etc.).

2.

Wassereintritt zumeist in die Gebäudekeller durch tieferliegende, meistens im Keller liegende Entwässerungseinrichtungen (Toiletten, Waschbecken, Spül- und Waschmaschinen), welche unmittelbar oder mittelbar an das Abwassernetz angeschlossen sind. Es ist anzunehmen, dass Gebäude, die keine oder nicht funktionierende Rückschlagklappen besitzen, hierdurch erhebliche Schädigungen erlitten.

3.

Wassereintritt auch in oberen Geschosshöhen von Gebäuden durch undichte Stellen oder infolge konstruktions-/systembedingter Mängel über das Dach oder Mängel in innenliegenden Dachentwässerungsleitungen etc. Eine nicht unbeträchtliche Anzahl dieser Schädigungen war in Bodenheim zu beobachten, wohl auch als Folge des massiven Niederschlages, verbunden mit sturmartigem Schlagregen, welchem manches Dachentwässerungssystem einfach nicht mehr gewachsen war.

Alleine die Gemeinde Bodenheim mit insgesamt 15 nennenswerten Liegenschaften/Gebäude musste an drei ihrer Einrichtungen Wasserschäden registrieren. Als der schwerwiegendste Schaden muss der Hermann-Weber-Saal im Bürgerhaus Dolles genannt werden (siehe Bild).

Auch in den Keller des Verbandsgemeinde-Rathauses und das ehemalige Feuerwehr-Gerätehaus drang Wasser in nennenswertem Umfang ein, welches tagelanger Säuberung und Trocknung bedurfte.

Weiterhin wurde der gesamte Keller des ‚Hauses der Vereine‘ mit den dortigen Vereinslagerräumen und der Schießsportanlage des Schießsportvereines durch Wasserübertritt über die erhöhte Treppenanlage an der Parkplatzanlage geflutet. Auch das Großspielfeld am Sportplatz Guckenberg erlitt durch Wasseraufstau Schäden (Faltwellen) am Kunstrasenbelag.

In den vergangenen Tagen wurden an uns, als Gemeindeverantwortliche verschiedene Fragen aus der Bürgerschaft gerichtet, die wir mit folgenden, z.T. recherchierten Antworten versuchen zu beantworten:

1. Ist das Kanalsystem grundsätzlich noch ausreichend dimensioniert?

Antwort: Für das Kanalsystem ist der Wirtschaftsbetrieb Mainz – Bereich Entwässerung zuständig. Nach deren Angaben ist das Bodenheimer Kanalnetz gemäß den gesetzlichen Vorgaben für ein 3-jähriges Niederschlagsereignis (ca. 20-25 Ltr/m²/h) ausgelegt. Für derart große Niederschlagsereignisse, wie geschehen, kann kein „Kanalsystem der Welt“ ausgelegt sein.

2. Verhinderten ggf. voll gefüllte Schmutzfänge in den Straßeneinläufen einen besseren Ablauf?

Antwort: Die Schmutzfänge werden turnusmäßig ein- bis zweimal im Jahr von einem beauftragten Dienstleister geleert. An den bekannten Problem- und Schwachstellen überprüft der Gemeindebauhof regelmäßig die Straßeneinläufe und leert diese auch außerhalb der turnusmäßigen Leerung. Die Schmutzfänge befanden sich im normal gepflegten Zustand. Im vorliegenden Fall hätten zum Schadensmoment auch gänzlich geleerte Schmutzfänge keine Wirkung gezeigt.

3. Wurden die beiden Pumpwerke 1 und 2 (in der Rheinallee) am Unwetterabend überhaupt rechtzeitig eingeschaltet?

Sobald ein bestimmter Wasserstand im Kanalbauwerk erreicht ist, schalten sich die Pumpwerke 1 und 2 automatisch ein und transportieren das Wasser in ein Rückstaubecken und im Bedarfsfall in den Graben entlang der Seurre-Allee und in den Fichtenweg. Die beiden Gräben wirken somit beim Bedarfsfall als naturnahes Rückstaubauwerk. Pumpwerk 1 und Pumpwerk 2 waren am Abend des 16.08. von Anfang an in Betrieb.

4. Welche Maßnahmen wurden seitens der Verwaltung im direkten Nachgang zum Unwetter durchgeführt?

Antwort: Am darauffolgenden Tag entfernte der Bodenheimer Gemeindebauhof das im Straßenraum angehäufte und in den Schmutzfängen der Straßeneinläufe angesammelte Schwemmgut.

5. Können die von den Feuerwehreinsatzkräften in der Unwetternacht gesammelten Erfahrungen genutzt und ausgewertet werden?

Antwort: Die Einsatzerfahrungen wurden vom Personal der Feuerwehreinsatzzentrale gesammelt, gesichert und aufbereitet. Zudem wurde ein Übersichtslageplan der Einsatzstellen mit dem Ziel angefertigt, daraus räumliche Wirkungsweisen ableiten zu können. Zudem fand unmittelbar am Donnerstagmorgen ein Meeting des Bürgermeisters der Verbandsgemeinde, des FEZ-Personals und zwei technischen Mitarbeitern der Mainzer Entwässerungsbetriebe zu den Einsatzorten und gezielten entwässerungsspezifischen Fragen statt. Der Wirtschaftsbetrieb wertet die Einsatzkarten zudem unter hydraulischen Fragestellungen aus.

6. Welche perspektivischen Schlüsse ziehen die Verwaltungen von Verbandsgemeinde und Gemeinde aus den aktuellen Hochwassererfahrungen?

Antwort: Für eine abschließende Bewertung ist es noch zu früh. Da sich derartige Ereignisse künftig häufen können, darf es keine Denkverbote geben. Allerdings wäre es illusorisch zu hoffen, dass man jegliche Hochwasser-Schädigungen künftig technisch verhindern könne.

Verbands- und Ortsbürgermeister haben dennoch mit den Verantwortlichen des Wirtschaftsbetriebs Mainz bereits für Anfang September einen ersten Termin zum erweiterten Gedankenaustausch vereinbart.

7. Gibt es aktuelle oder anstehende Straßenbaumaßnahmen etc., bei denen die Gelegenheit für Entlastungsbauwerke im Hochwasserfall genutzt werden können.

Antwort: Viele dieser Möglichkeiten gibt es nicht. Jedoch wird bei der ab 2025 vorgesehenen Ausbaumaßnahme der L 431 über mögliche Entlastungsbauwerke etc. in den besonders betroffenen Bereichen von Wormser Straße und Rheinstraße nachgedacht.

8. Auf welche Weise können vom Hochwasser betroffene BürgerInnen ihren zerstörten Hausrat entsorgen?

Antwort: Mit dem Abfallwirtschaftsbetrieb konnte Einigung für die betroffenen Bürger für eine zeitnahe und großzügige Abholungspraxis über das weiterhin gültige Sperrmüll- Anmeldesystem (siehe Abfallfibel oder 06131/124350) gefunden werden.

9. Wie kann sich jede Bürgerin/jeder Bürger selbst vor solchen Wasserschäden schützen?

Antwort: Ab dem Übertritt auf das Privatgelände ist jede Grundstückseigentümerin/jeder Grundstückseigentümer selbst für die Eigenvorsorge verantwortlich. Der Einbau von Rückschlagklappen bzw. deren regelmäßige Wartung und Erhalt der Funktionsfähigkeit verhindert zumeist das Schlimmste. Bestehende Wassereintrittsstellen (niveaugleiche Fenster, Zugangstüren in tiefer liegenden Grundstücksbereichen) stellen Gefahrenstellen dar. Der Zufluss von überflutendem Straßenwasser auf das Grundstück und vor allem auf tief gelegene Grundstücksbereiche mit sich anschließenden Gebäudeteilen können durch Durchflussschwellen etc. geschützt werden.

Dem Abschluss von Elementarversicherungen wird aus Sicht der Grundstückseigentümer künftig ohnehin eine immer größere Bedeutung zukommen.

Zuletzt sollen diese sachlichen Schilderungen keinesfalls emotionslos über die erlittenen Schäden und Verluste hinweggehen. Wir können als selbst Geschädigte sehr intensiv mit allen, die Schäden durch die Wassermassen erlitten haben, mitfühlen. Trotzdem und gerade deswegen sind sowohl die Hinweise für zukünftige Vorsorge auf privater und gemeindlicher Ebene erforderlich.

Danken möchten wir allen, die ihren Nachbarn und Mitbürgerinnen /Mitbürgern gegenüber zu Hilfe eilten, sehr herzlich. Dies gilt in ganz besonderem Maße unseren Feuerwehrkräften, die die ganze Nacht an ca. 80 Einsatzstellen tätig waren und auch am nächsten und übernächsten Tag noch wiederholt zu Einsatzstellen gerufen wurden, für ihren unermüdlichen und selbstlosen Einsatz. Die Unterstützung durch die Besatzungen von vier Fahrzeugen der Ingelheimer Wehr und durch den stellvertretenden Brand- und Katastrophenschutzinspekteur vor Ort kann gar nicht hoch genug bewertet werden. Wir haben unseren Dank bereits an den OB der Stadt Ingelheim und die Feuerwehrkameraden für die interkommunale und menschliche Hilfeleistung deutlich zum Ausdruck gebracht.

Dr. Robert Scheurer
Thomas Becker-Theilig
Bürgermeister
Ortsbürgermeister
Verbandsgemeinde Bodenheim
Ortsgemeinde Bodenheim