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Amtsblatt der VG Gau-Algesheim
Ausgabe 30/2022
Amtlicher Teil
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Satzung der Ortsgemeinde Appenheim zur Ausübung eines besonderen Vorkaufsrechts vom 26.07.2022

Aufgrund des § 25 Abs. 1 Nr. 2 Baugesetzbuch (BauGB) in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. November 2017 (BGBl. I S. 3634), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 26. April 2022 (BGBl. I S. 674) geändert worden ist und des § 24 Gemeindeordnung (GemO) in der Fassung vom 31. Januar 1994, zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 27.01.2022 (GVBl. S. 21), beschließt der Ortsgemeinderat der Ortsgemeinde Appenheim folgende Satzung:

Präambel

Die vorliegende Satzung der Ortsgemeinde Appenheim zur Ausübung eines besonderen Vorkaufsrechts dient der Sicherung einer geordneten städtebaulichen Entwicklung in bestimmten Bereichen der Ortsgemeinde. Die Bereiche sind aufgrund ihrer geographischen Lage, ihrer Beschaffenheit und Größe von erheblicher Bedeutung für die städtebauliche Entwicklung der Ortsgemeinde. Bereits im Jahr 2019 zum Zeitpunkt des erstmaligen Erlasses der Vorkaufssatzung hat die Ortsgemeinde das Ziel verfolgt, dass die vier Teilbereiche der Satzung einer notwendigen - den städtebaulichen Vorstellungen der Stadt entsprechenden - Gesamtentwicklung zugänglich bleiben.

§ 1

Besonderes Vorkaufsrecht

Für die in § 2 bezeichneten Flächen zieht die Ortsgemeinde zum Erlasszeitpunkt folgende städtebauliche Maßnahmen in Betracht:

Teilbereich I:

Städtebauliche Maßnahmen zur Verbreiterung des Straßenbereichs und der Schaffung von benötigten Parkflächen durch eine Straßenausbauplanung und die Festsetzung von Verkehrsflächen für den ruhenden Verkehr.

Teilbereich II:

Änderung des Bebauungsplans „Um die ehemalige Raiffeisenhalle“, der derzeit angrenzend an das Mischgebiet ein Gewerbegebiet festsetzt. Hier soll Wohnbebauung entstehen, um den Wohnraumbedarf in der Ortsgemeinde zu decken und störungsempfindliche Nutzung und die potenziell störende gewerbliche Nutzung zu entzerren und aus dem Ortslagenbereich heraus ein neues Wohnbaugebiet zu entwickeln. Es ist vorgesehen, diesen Bereich als Wohngebiet auszuweisen.

Teilbereich IV:

In diesem Teilbereich befindet sich die Turnhalle, die im Eigentum des örtlichen Turnvereins steht. Um die Zweckerhaltung zu sichern und auch die Möglichkeit der Erweiterung der Sportanlage zu schaffen, zieht die Ortsgemeinde den Erlass eines entsprechenden Bebauungsplans in Betracht.

Zur Sicherung einer geordneten städtebaulichen Entwicklung in diesen Teilbereichen steht der Ortsgemeinde gemäß § 25 Abs. 1 Nr. 2 BauGB ein besonderes Vorkaufsrecht zu.

§ 2

Geltungsbereich der Satzung

Der Geltungsbereich der Vorkaufsrechtssatzung erstreckt sich auf folgende Flurstücke:

Teilbereich I: Gemarkung Appenheim, Flur 1, FlurSt. 424/1 (Breitgasse)

Teilbereich II: Gemarkung Appenheim, Flur 4, FlurSt. 46 und 47/2 (Hauptstraße)

Teilbereich IV: Gemarkung Appenheim, Flur 6, FlurSt. 301/2, 299/1, 301/3, 300/4 und 298 (Hauptstraße / Am Wethbach)

Die Grenzen des räumlichen Geltungsbereichs sind in dem als Anlage 2 beigefügten Lageplan, der Bestandteil dieser Satzung ist, im Maßstab 1:1.500 dargestellt.

§ 3

Inkrafttreten der Satzung

Diese Vorkaufsrechtssatzung tritt rückwirkend zum 7. Juni 2019 in Kraft.

ausgefertigt:

Appenheim, den 26.07.2022
gez. Georg Schacht, Ortsbürgermeister

Anlage 1: Begründung

1. Anlass für die ursprüngliche Satzung und Hintergrund zum ergänzenden Verfahren

Von dieser Möglichkeit hat die Ortsgemeinde Appenheim mit dem Erlass der Satzung zur Ausübung eines besonderen Vorkaufsrechts vom 14. Mai 2019 (bekanntgemacht am 7. Juni 2019) Gebrauch gemacht. Hintergrund waren die bereits zum erstmaligen Erlasszeitpunkt befürchteten Veräußerungsabsichten der Grundstückseigentümer. Die Vorkaufsrechtssatzung sollte dazu dienen, die durch den Verkauf der Grundstücke zu erwartenden Veränderungsprozesse städtebaulich zu strukturieren und in die städtebauliche Gesamtordnung der Ortsgemeinde einzubinden.

Mit notariellem Kaufvertrag vom 14. Januar 2022 hat der Grundstückseigentümer unter anderem die in Teilbereich II der Vorkaufsrechtssatzung gelegenen Grundstücke Gem. Appenheim, Flur 4, FlurSt. 47/2 und 46 an den bisherigen Pächter bzw. potentiellen Käufer veräußert. Die Ortsgemeinde Appenheim hat daraufhin von dem ihr zustehenden Vorkaufsrecht Gebrauch gemacht. Gegen den Ausübungsbescheid haben sowohl der Verkäufer als auch der Käufer Widerspruch eingelegt. Derzeit ist das Verfahren vor dem Kreisrechtsausschusses des Landkreises Mainz-Bingen anhängig. Im Laufe des Verfahrens sind Zweifel an der Wirksamkeit geltend gemacht worden. Vorsorglich soll daher das ergänzende Verfahren zur Fehlerheilung gemäß § 214 Abs. 4 BauGB durchgeführt werden. Über das Vorliegen eines Fehlers muss dabei keine Gewissheit bestehen. Die Gemeinde darf das ergänzende Verfahren auch betreiben, wenn sie nicht vom Vorliegen eines Fehlers überzeugt ist, aber aufkommenden Zweifeln vorsorglich begegnen möchte.

2. Geltungsbereich der Satzung

Der Geltungsbereich der Satzung erstreckt sich auf in der Satzung exakt bezeichnete Grundstücke in der Hauptstraße, der Breitgasse und der Straße Am Wethbach. Aus der der Satzung beigefügten Liegenschaftskarte ist die Belegenheit der betroffenen Grundstücke ersichtlich.

3. Städtebauliche Maßnahmen und Notwendigkeit der Vorkaufssatzung

Eine auf § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB gestützte Vorkaufssatzung setzt zum einen voraus, dass die Gemeinde im Geltungsbereich der Satzung "städtebauliche Maßnahmen in Betracht zieht". Auf der Grundlage der jeweils weit zu verstehenden tatbestandlichen Merkmale verfolgt die Vorschrift den Zweck, durch eine an städtebaulichen Interessen orientierte Bodenvorratspolitik die Sicherung einer langfristig orientierten Planung und Entwicklung zu ermöglichen. Bauplanerische Festsetzungen wie die Überplanung eines Teils des Gemeindegebiets als bestimmtes Baugebiet gehören ohne Weiteres zu den städtebaulichen Maßnahmen, die sich durch einen städtebaulichen Bezug auszeichnen.

Zum anderen setzt der Erlass einer Vorkaufssatzung nach § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB voraus, dass sich der Einsatz dieses Sicherungsmittels aus städtebaulichen Gründen als notwendig erweist. Das ist bereits dann der Fall, wenn die Satzung objektiv geeignet ist, zur Sicherung der städtebaulichen Entwicklung und Ordnung, vgl. § 1 Abs. 3 BauGB, beizutragen.

Die Ortsgemeinde zieht nicht einheitlich für alle Teilbereiche der Satzung dieselbe städtebauliche Maßnahme in Betracht. Die vier Teilbereiche liegen räumlich weit voneinander entfernt und weisen keinen inneren Zusammenhang auf. Die Vorkaufssatzung ist daher teilbar. Die Teilbereiche waren in den letzten Jahren aber immer wieder Gegenstand von städtebaulichen Diskussionen der Ortsgemeinde, so dass sie in einer Satzung zusammengefasst werden.

a)

Das in Teilbereich I gelegene Grundstück befindet sich am Kreuzungspunkt Breitgasse/Obergässchen. Die Ortsgemeinde zieht hier den Ausbau und die Verbreiterung des Straßenraums in Betracht. Damit die Breitgasse/Obergäßchen im Einmündungsbereich der Kreuzung baulich umgestaltet und verbreitert werden kann, wenn sich weitere Nutzungen auch auf der westlichen Straßenseite ansiedeln, trägt die Möglichkeit des Eigentumserwerbs durch die Vorkaufssatzung dazu bei, die Ausbau- und Erschließungsmaßnahmen ggf. im Rahmen einer Bebauungsplanung zu realisieren.

b) Teilbereich II

Die in Teilbereich II gelegenen Flurstücke liegen im Geltungsbereich des Bebauungsplans „Um die ehemalige Raiffeisenhalle“ der die Flächen als Gewerbegebiet i.S.v. § 8 BauNVO festsetzt. Der im Bebauungsplan als Gewebegebiet festgesetzte Bereich grenzt unmittelbar an einen als Mischgebiet i.S.v. § 6 BauNVO ausgewiesenen Bereich an. Im Bereich des Mischgebiets ist ausschließlich Wohnbebauung realisiert worden, so dass die Steuerungswirkung des Bebauungsplans auch in diesem Bereich limitiert ist. Aufgrund der Nachfrage nach Wohnbauflächen zieht die Ortsgemeinde die Änderung des Bebauungsplans in Betracht. Die im Bereich des festgesetzten Gewerbegebiets durch den Pächter bzw. potentiellen Käufer genutzten Gebäude erweisen sind als potentiell störende Nutzung, inmitten der durch Wohnbebauung geprägten Ortslage. Die Ortsgemeinde beabsichtigt, den Bebauungsplan entsprechend zu ändern und ggf. im Geltungsbereich zu erweitern. Auch auf der gegenüberliegenden Seite der Hauptstraße werden neue Wohnbauflächen geschaffen. Die städtebaulichen Ordnungsvorstellungen der Ortsgemeinde gehen deshalb dahin, die gewerbliche Nutzung in diesem Bereich planerisch zurückzudrängen. Der Ortsgemeinde ist bekannt, dass der Pächter bzw. potentielle Käufer den Gebäudebestand im Wege eines Mietverhältnisses gewerblich nutzt. Sie wird daher dem Firmeninhaber im Hinblick auf eine Umsiedlung des Betriebs innerhalb der Ortsgemeinde geeignete Grundstücksalternativen aufzeigen. Die Vorkaufssatzung erweist sich als notwendig, weil sie einen Beitrag zur Sicherung der in Betracht gezogenen Änderung und Erweiterung des Bebauungsplans leisten kann.

c) Teilbereich IV

In Teilbereich IV befindet sich die Turnhalle, die im Eigentum des örtlichen Turnvereins steht. Um die Zweckerhaltung zu sichern und auch die Möglichkeit der Erweiterung der Sportanlage zu schaffen, erwägt die Ortsgemeinde den Erlass eines entsprechenden Bebauungsplans. Die Vorkaufssatzung für diesen Teilbereich kann einen Beitrag dazu leisten, das planerische Instrument unter erleichterten Bedingungen einzusetzen und die öffentliche Zielsetzung der Erhaltung und des Ausbaus von Sportmöglichkeiten in der Ortsgemeinde zu fördern.

d) (ehemaliger) Teilbereich III

Das in Teilbereich III gelegene Grundstück gehörte der evangelischen Kirchengemeinde. Hier ist die Gemeindebücherei untergebracht. Mit der Einbeziehung der Fläche in den Geltungsbereich der Vorkaufssatzung war die Absicht verbunden, die öffentliche Zweckbestimmung des Gebäudes zu erhalten. Hierzu sollte gegebenenfalls eine bauleitplanerische Sicherung erfolgen. Um zu verhindern, dass das Grundstück samt aufstehendem Gebäude in anderweitiges Privateigentum übergeht und die Zwecksetzung der Erhaltung der Gemeindebücherei dadurch gefährdet ist, war die Vorkaufssatzung notwendig. Da das Grundstück bereits im Jahr 2021 von der evangelischen Kirchengemeinde an die Ortsgemeinde verkauft wurde, und die Ortsgemeinde Eigentümerin des Grundstücks geworden ist, ist die Notwendigkeit des Einsatzes des Sicherungsmittels der Vorkaufssatzung zwischenzeitlich entfallen. Das ursprünglich in Teilbereich III gelegene Grundstück Gemarkung Appenheim, Flur 6, FlurSt. 309 (Hauptstraße) wird daher aus dem Geltungsbereich der Vorkaufssatzung herausgenommen.

4. Rückwirkende Inkraftsetzung

Die Satzung tritt rückwirkend zum 7. Juni 2019 in Kraft. Die ursprüngliche Vorkaufsrechtssatzung vom 14. Mai 2019 erlangt zusammen mit der nunmehr beschlossenen Satzung als eine einheitliche Satzung, bestehend aus zwei Urkunden, Wirksamkeit.

Die Entscheidung über eine rückwirkende Inkraftsetzung der Satzung sowie der Zeitpunkt der Rückwirkung liegen im Ermessen der Gemeinde. Bedenken gegen die Rückwirkung bestehen nicht. Durch die rückwirkende Inkraftsetzung verfolgt die Ortsgemeinde das Ziel, etwaig bestehende Zweifel an der Wirksamkeit auszuräumen und die ergangenen Ausübungsbescheide auf eine sichere Rechtsgrundlage zu stellen. Vertrauensschutzgesichtspunkte, die eine rückwirkenden Inkraftsetzung entgegenstehen würden, sind nicht gegeben. Ein etwaiges Vertrauen der Betroffenen in das Fortbestehen der Ungültigkeit einer Norm ist sachlich nicht schutzwürdig. Vertrauensschutz kommt dort nicht in Frage, wo es kein Vertrauen geben kann oder wo es sachlich nicht schutzwürdig wäre. Die rückwirkende Heilung entspricht dem Grundsatz der Planerhaltung nach Sinn und Zweck des § 214 Abs. 1 BauGB. Der Rückrückwirkungszeitpunkt entspricht dem Zeitpunkt der öffentlichen Bekanntmachung des erstmaligen in Betrachtziehens städtebaulicher Maßnahmen für die jeweiligen Teilbereiche durch den Ortsgemeinderat.

Anlage 2: Geltungsbereich

Der Beschluss des Ortsgemeinderates Appenheim über die vorstehende Satzung

wird hiermit öffentlich bekanntgemacht.

Die Vorkaufsrechtssatzung tritt rückwirkend zum 7. Juni 2019 in Kraft.

Nach § 24 Abs. 6 Satz 1 GemO gelten Satzungen, die unter Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften dieses Gesetzes oder auf Grund dieses Gesetzes zustande gekommen sind, ein Jahr nach der Bekanntmachung als von Anfang an gültig zustande gekommen.

Dies gilt nicht, wenn

-

die Bestimmungen über die Öffentlichkeit der Sitzung, die Genehmigung, die Ausfertigung oder die Bekanntmachung der Satzung verletzt worden sind, oder

-

or Ablauf der in Satz 1 genannten Frist die Aufsichtsbehörde den Beschluss beanstandet oder jemand die Verletzung der Verfahrens- oder Formvorschriften gegenüber der Verbandsgemeinde Gau-Algesheim unter Bezeichnung des Sachverhalts, der die Verletzung begründen soll, schriftlich geltend gemacht hat.

Hat jemand eine Verletzung nach § 24 Abs. 6 Satz 2 Nr. 2 GemO geltend gemacht, so kann auch nach Ablauf der in § 24 Abs. 6 Satz 1 GemO genannten Frist jedermann diese Verletzung geltend machen.

Appenheim, 26.07.2022
gez. Georg Schacht
Ortsbürgermeister