Vor einem Jahr war für den Technischen Werkleiter Herwig Lepherc und seinen kaufmännischen Kollegen Andreas Krämer die Welt noch weitestgehend in Ordnung. Die Gremien der am ZAR beteiligten Gebietskörperschaften, die Stadt Alzey und die Verbandsgemeinden Alzey-Land, Eich und Rhein-Selz, hatten der Umwandlung des ZAR zu einem Vollverband einmütig zugestimmt. Der Wirtschaftsplan für das erste Jahr als Vollverband war beschlossen, der 1. Januar 2022 konnte kommen. Die beiden Verantwortlichen blickten damals optimistisch in die Zukunft, hatte doch eine Gebührenkalkulation, ausgerichtet auf fünf Jahre, für die von den Bürgern zu erhebenden Abwassergebühren Klarheit gebracht und weitgehende Stabilität für die über 100.000 Bürgerinnen und Bürger im Entsorgungsgebiet vorhergesagt.
Die vielfältigen Aufgaben, die auf den ZAR und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter warteten, konnten angepackt bzw. fortgeführt werden. Dazu gehörten und gehören die Sanierung und Erweiterung der zwölf Kläranlagen mit einer Gesamtausbaugröße von ca. 150.000 Einwohnerwerten, der ca. 150 km Verbindungssammler, der rund 550 km Ortskanäle in den angeschlossenen 54 Gemeinden und die kaufmännische Verwaltung des ZAR. Eine Reihe größerer Baumaßnahmen, z.B. der Bau des Entlastungsbauwerks in der Ortslage Nierstein mit einem finanziellen Aufwand von 900.000 € oder die Ertüchtigung des Pumpwerks Hamm II für ca. 2,4 Mio. €, erforderten die volle Aufmerksamkeit der Verantwortlichen. Auch die Auswirkungen des Klimawandels, die Schaffung energieautarker Kläranlagen und die Planungen für die sogenannte 4. Reinigungsstufe stehen auf der Tagesordnung.
Ende 2021 zeichnete sich aber bereits ab, dass die Energiekosten steigen und damit die Betriebskosten in die Höhe treiben würden. Im Laufe des Jahres 2022 haben dann die Folgen des Ukraine-Krieges, die Energiekrise und die galoppierende Inflation alle zuvor getroffenen Annahmen für die Jahre 2023 und folgende über den Haufen geworfen. Während der durchschnittliche Haushalt mit rund 3.000 kWh im Jahr zurechtkommt, benötigt der ZAR für den Betrieb seiner Einrichtungen rund 6 Millionen kWh. Die damit verbundenen höheren Betriebskosten belaufen sich geschätzt auf rund 1,5 Mio. € im Jahr. Auch die Materialkosten für die Unterhaltung von Kläranlagen, Pumpstationen und die Unterhaltung der Kanalisation stiegen im Laufe des Jahres überdurchschnittlich.
Die Folge: die in der Finanzplanung für die Jahre 2023 und 2024 vorgesehenen Erträge reichen nicht aus, um die mit dem Betrieb verbundenen Kosten abzudecken. Um dem drohenden Verlust von annähernd 2 Mio. € entgegenzuwirken, wurde den Gremien ein Wirtschaftsplan für 2023 vorgelegt, der eine Anhebung der Vorausleistungen bei den Abwassergebühren vorsieht.
Im Einzelnen: Die Schmutzwassermengengebühr steigt von 2,70 €/cbm auf 2,94 €/cbm und die Niederschlagswassergebühr steigt von 0,42 €/qm auf 0,45 €/qm. Alle anderen Gebührenparameter bleiben vorerst stabil.
Die tatsächliche Entwicklung der im November 2022 für das kommende Wirtschaftsjahr 2023 kalkulierten Erträge und Aufwendungen wird Mitte 2023 in einem Zwischenbericht dargestellt und wird dann ggf. Grundlage für einen Nachtragswirtschaftsplan. Ob nach Vorliegen des Zwischenberichtes die Abwasserentgeltsätze erneut angepasst werden müssen, bleibt abzuwarten. Die Gremien des ZAR können eine Anpassung der Gebühren 2023 bis zum Jahresende beschließen. Wie der kaufmännische Werkleiter Andreas Krämer betont, erfolgt die Anpassung auch mit der Intention, die Liquidität des Zweckverbandes zu erhalten sowie eine eventuell erhöhte Nachzahlungspflicht bei der Endabrechnung 2023 für die Anschlussnehmer zu vermeiden. Die finanzielle Mehrbelastung der Bürgerinnen und Bürger soll möglichst über das gesamte Jahr verteilt werden.