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Rhein-Nahe aktuell
Ausgabe 2/2023
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Altbürgermeister Herbert Sinz wird 100 Jahre alt

Die einhundert Jahre sind ihm kaum anzumerken. Herbert Sinz, der frühere Bürgermeister von Waldalgesheim, ist geistig topfit. Nur die Beine wollen nicht mehr so richtig. Seine Heimatgemeinde schenkte ihm zu Ehren Zeit. Und eine besondere Feier in der Rattener Stube der Keltenhalle mit vielen Würdenträgern und Wegbegleitern. Zumindest mit denen der letzten Jahrzehnte. Sinz war dem aktuellen Ortschef Stefan Reichert derjenige, „der die Weichen dafür stellte, dass Waldalgesheim so ist, wie es heute ist.“ Reicherts Amtsvorgänger und Sinz' Nachfolger Gerhard Hanke sah das ähnlich: „Sie sind ein Meister der Bürger. Sie sind für mich ein Waldalgesheimer Patriot!“

Was die Mehrheit der engagierten Bürger in Jahren rechnet, dass macht Herbert Sinz in Jahrzehnten. 43 Jahre war er ununterbrochen Teil des Gemeinderates, ziemlich genau 25 Jahre, von 1969 bis 1994, Bürgermeister. Er war 1969 Gründungsmitglied der FWG im Ort, Mitglied der Amtsverwaltung Bingerbrück, mehr als 20 Jahre Mitglied des VG-Rates Bingen-Land bzw. Rhein-Nahe. Er war Mitglied im Kreisrechtsausschuss, arbeitete 43 Jahre ununterbrochen in verschiedenen Verwaltungsausschüssen mit, war 32 Jahre lang Vorstandsvorsitzender der Raffeisenbank Waldalgesheim, zehn Jahre Vorsitzender des SV Alemannia, 33 Jahre Vize im Orchesterverein Harmonie, ein Dutzend Jahre Sitzungspräsident des Karnevalvereins (KVW), dem er seit 74 Jahren die Treue hält.

Die bereits vor dem Jubeltag erhaltenen Ehrungen sind so zahlreich wie außerordentlich. Eine Auswahl: Sinz ist Träger des Ehrenordens des KVW, Träger des Verdienstordens in Gold mit Brillanten vom Bund Deutscher Karneval. Die Silberne Verdienstmedaille der Malteser wurde ihm genauso überreicht wie diejenige des Raiffeisenverbands, des steirischen Musikverbands und der steirischen Feuerwehr. Auf den Silbernen Ehrenteller der VG Rhein-Nahe 1989 folgte 1994 die Verdienstmedaille zum Bundesverdienstorden der Bundesrepublik, 1999 der Ehrenschild der Gemeinde Waldalgesheim, später die Verleihung des Ehrenbürgerrechts von Waldalgesheim und der Ehrenring der Partnergemeinde Ratten.

Zu diesen vielen Auszeichnungen kamen zum Jubeltag noch zwei hinzu. Eine überreichte Landrätin Dorothea Schäfer, die andere hatte Thomas Heim, Bürgermeister von Ratten in der österreichischen Steiermark, im Gepäck. Sinz ist demnach nun nicht nur stolzer Inhaber des Ehrenbriefes der Stiftung Kultur im Landkreis Mainz-Bingen, er ist auch Ehrenbürger von Ratten, darf als einer von ganz wenigen Menschen im Land für sich in Anspruch nehmen, gleich zwei Ehrenbürgerschaften zu besitzen.

Sinz' Verbindung in die Partnergemeinde ist eine ganz besondere. Den Satz „Ratten ist meine zweite Heimat“ habe er aus seinem Mund immer wieder gehört. Heim erinnerte sich so an die erste Begegnung 1988, als der damalige Waldalgesheimer Ortschef ihm als 18-Jährigen und seinen Musikkollegen mit auf den Weg gegeben habe, die Partnerschaft am Leben zu halten und sie mit Energie zu füllen. Dass er deshalb mit Musiker- und Feuerwehrkameraden am zweiten Weihnachtstag nach Waldalgesheim gekommen sei, um eine „großartige Persönlichkeit und eine großartige Person“ zu ehren, sei selbstverständlich, so Heim.

Apropos Patriot. Reichert dachte in seiner Laudatio an eine Erzählung seines eigenen Vaters zurück. Der lag während des Zweiten Weltkrieges im Lazarett in Tunis, als Herbert Sinz an der Anmeldung stand. Dem wurde berichtet, „dass dahinten einer aus Bingen liegt.“ Sinz sei zu ihm gekommen und habe ihm sogleich ein bisschen scherzhaft die Meinung gesagt: „Wieso sagst du, dass du aus Bingen bist? Du kommst aus Waldalgesheim!“

Hier sorgte er in seiner Amtszeit für die Ratifizierung der Partnerschaft mit Ratten (1978). In die 25 Jahre fielen etwa die Organisation der 1200 Jahr-Feier von Waldalgesheim, der Bau des Feuerwehrhauses, der Ausbau der Straßen, die Errichtung des Bauhofs und der Bau des Kindergartens, der Bau der Keltenhalle und die Eingliederung der Gemeinde Genheim. „Du hast dafür gesorgt, dass sich Waldalgesheim zu einem Ort mit hoher Lebensqualität entwickeln konnte“, lobte Reichert.

Dem Geburtstags-“Kind“ selbst blieb bei aller Ergriffenheit der Schalk treu. „Ich habe so viel geistige Flüssigkeit bekommen, dass ich mindestens noch zwei Jahre dranhängen muss“, anerkannte er mit klaren Worten und dankte der Gemeinde analog zu Hans Rosenthal mit den Worten: „Es war spitze!“ Wie er die Gemeinde voranbringen konnte? „Ich hatte nie eine Mehrheit im Rat, musste alles parteiübergreifend schaffen.“ Das gute Verhältnis zu den Kollegen sei ausschlaggebend gewesen.

Bericht und Foto: Jochen Werner