Eine Erlebniswanderung mit Musik und Theater war den mehr als 100 Wanderwilligen versprochen worden, die sich in Kleingruppen zum „Waldklang am Morgenbach“ eingefunden hatten, einem Szenischen Projekt der Mainzer Theaterwissenschaft (JGU), das im Rahmen eine Kooperation mit dem Landkreis Mainz-Bingen und der VG Rhein-Nahe durchgeführt wurde.
Drei Birkentore im Binger Wald markierten die vier Kilometer lange Rundwanderstrecke als symbolischen Weg durch Geschichte, Gegenwart und Zukunft. Wer zu den ermutigenden Klängen des Waldhorns (Adrián Arroyo) den steilen Eselspfad erklommen hatte, durfte sich über außergewöhnliche Begegnungen freuen, etwa mit Carl von Carlowitz (Philipp Mayer), der sich als Erfinder der Nachhaltigkeit vorstellte, oder mit Dichterin Adelheid von Stolterfoth (Julia Hübner), deren Lyrik-Vortrag „Im Walde“ trotz der heißen Temperaturen Gänsehaut hervorrief. Woher der Kühlungseffekt des Waldes kommt, wie viel Sauerstoff ein ausgewachsener Laubbaum produziert, wer sich zu Zeiten der Rheinromantik in den Wäldern des Mittelrheins herumtrieb und wie wohl der Wald der Zukunft aussieht - all das verriet ein Wald-Guide, der die Gruppen bis zum Schweizerhaus geleitete. Spielerisch durften alle Wandergäste zudem ihre Teamfähigkeit erproben und die Erdkugel mit Seilen in gemeinsamer Balance aus der Vermüllung retten. Zur geselligen Pause im Schweizerhaus brachte „The Bingen Jazz Edition“ nicht nur Liszts „Waldesrauschen“ zum Swingen, sondern ließ auch - mit passenden Fakten zum Klima- und Artenschutz - Schmetterling und Eichhörnchen zur Inspirationsquelle der sonst eher urban geprägten Jazz-Gattung werden. Der Wegabschnitt „Gegenwart“ war als Audio-Walk zu beschreiten. Einer wirkungsvollen Klangcollage über den Widerstreit zwischen Anspruch und Wirklichkeit von Natur- und Klimaschutz folgte, eingeleitet von Antonin Dvořáks „Waldesruhe“ (Rut Bántay - Cello), ein meditatives Waldbaden, das alle Sinne ansprach und den Wald zum Tröster aller Sorgen machte. Der letzte Abschnitt „Zukunft“ überließ die Wirkung allein der Naturkulisse, dem wildromantischen Morgenbach, und den eigenen Gedankenflüssen. Als krönender Abschluss erwartete die Wandergäste zwischen den Felsen des Morgenbaches eine echte Konzertharfe (Gernot Blume), deren himmlische Klänge dem Publikum mit Robert Schumanns „Vogel als Prophet“ allen Klimaprognosen zum Trotz die utopische Hoffnung auf eine gute Zukunft mit auf den Weg gaben.
Kooperationspartnerin Renate Wiedenhöft, Klima- und Umweltschutzbeauftragte des Landkreises Mainz-Bingen, zeigte sich begeistert: „Wirklich jeder Programmpunkt war ein absolutes Highlight. Die Menschen wurden emotional abgeholt und zum Nachdenken angeregt. Der Waldklang wird bei vielen noch lange nachhallen.“ Ein kleines Denkmal hat sich das Projekt „Waldklang“ auch in der Neugestaltung der Schutzhütte am Morgenbach gesetzt, die mit Hilfe der Volunteers des Zweckverbands Welterbe Oberes Mittelrheintal rundum erneuert worden war. Die neue Innengestaltung als Showroom unter dem Motto „Wissenschaft trifft Kunst“ hält nicht nur Infos zum Klimaschutz, sondern auch ein Wald-Gedicht von Heinrich Heine sowie ein Triptychon der ungarischen Digitalkünstlerin Anikó Havas bereit. Projektleiterin Sarah Wendel war es wichtig, möglichst viele Akteure in das Projekt einzubinden. „Zur Realisierung dieses Projekts war in einem hohen Maß die Kollaboration aller Beteiligten notwendig, die Zustimmungen der Naturschutzbehörde, der Stadt Bingen als Waldeigentümerin aber auch der involvierten Ortsgemeinden. Dass das alles funktioniert hat, ist auch ein gutes Zeichen für die interkommunale Zusammenarbeit. Die Komplexität der Zusammenarbeit, die für den Klimaschutz notwendig ist, hat sich auch im Kleinen in der spartenübergreifenden Realisierung des Konzert-Performance-Walks „Waldklang“ abgebildet. Denn auch die Klimakrise als Querschnittsaufgabe lässt sich nur miteinander, nicht gegeneinander bewältigen.“