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Amtsblatt Limburgerhof
Ausgabe 47/2023
Gemeindemitteilungen
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Wohin sollen wir gehen?

Feierstunde zum Volkstrauertag

Auszüge aus der Ansprache von Pfarrer Martin Grimm

Lassen Sie mich an den Anfang meiner Gedanken Worte aus dem Johannesevangelium stellen. Den Worten vorangegangen war eine Rede Jesu, die dazu führte, dass sich viele von ihm enttäuscht sahen und abwandten. Da fragte er seine Jünger, ob sie auch weggehen wollten. „Da antwortete ihm Simon Petrus: Herr, wohin sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens; und wir haben geglaubt und erkannt: Du bist der Heilige Gottes.“ (…)

Wir leben in einer Zeit, in der sich sehr viel verändert hat. Es wird auch für die Kritischen unter uns immer selbstverständlicher, dass zum Miteinanderleben von Nationen und Völkern Waffenlieferungen, der Einsatz der Armee, Tod und Verwundung, grausame Zerstörungen, schwerste Misshandlungen zum Leben, zur Realität dazugehören. (…)

„Es kann der Frömmste nicht in Frieden bleiben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt.“ (Schiller, Wilhelm Tell). (…) Die nach dem Krieg Geborenen hörten von den Vätern „Nie wieder Krieg“. (…) Spätestens seit dem Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine hat sich gezeigt, dass auch in Europa die Vorstellungen vom Frieden ganz unterschiedlich sind. Der Friedenswunsch allein bringt noch keinen Frieden. Es gibt keinen Frieden ohne die Bereitschaft, sich im Ernstfall gegen fremde Gewalt zu verteidigen. Die Soldaten und Soldatinnen der Bundeswehr haben diese Aufgabe für uns alle übernommen. (…)

Ich finde, die Frage des Petrus an Jesus spricht da in unsere Zeit hinein: „Herr, wohin sollen wir gehen?“

  • Wohin sollen wir gehen, wenn ein Land sein Nachbarland willkürlich angreift?
  • Wohin sollen wir gehen, wenn mitten in Europa Grenzen verschoben werden, um die eigene Einflusssphäre zu vergrößern?
  • Wohin sollen wir gehen, wenn anstelle eines gemeinsamen europäischen Denkens nationalistische Strömungen stärker werden?
  • Wohin sollen wir gehen, wenn Terroristen mit ihren Anschlägen Angst auslösen wollen, um damit über Menschen zu herrschen?

Wir waren es gewohnt, dass wir mit unserem „Gewissen“, mit unseren „Gewissensentscheidungen“, die richtigen Wege finden könnten. Aber wenn das Leben vielschichtig und komplex ist, dann kommt das Gewissen an seine Grenzen. Es war Dietrich Bonhoeffer, der als Opfer des Nationalsozialismus konsequent seinen Weg ging, und der aufzeigte, dass das Gewissen die Tendenz hat, uns schuldlos halten zu wollen. Doch manchmal muss man schuldig werden, um zu handeln. Unser Gewissen kommt an seine Grenze, wenn es uns schützen will, schuldig zu werden. Doch wer schuldlos bleiben will, kann am Ende noch schuldiger geworden sein. (…)

Dietrich Bonhoeffer kann dann im Hinblick auf das Gewissen sagen, dass auch das schuldig gewordene Gewissen im Glauben vor Gott gerechtfertigt ist. Auch dem schuldig gewordenen Gewissen gilt die befreiende Botschaft des Evangeliums. (…)

Und in Europa ist uns auch ein friedliches Miteinander der Konfessionen und Religionen gelungen. Heute leben Protestanten, Katholiken und Orthodoxe innerhalb der Europäischen Union friedlich miteinander. Und es bleibt unsere Aufgabe als Christen, in Frieden mit Menschen anderen Glaubens zu leben. (…)

Wir leben mit unserem Glauben zwischen Himmel und Erde. Dieser Glaube gibt sich nicht zufrieden mit dem, was ist, und überhebt sich auch nicht, den Himmel auf Erden zu erreichen. Solcherlei Versuche gab es genug, sie führten nur in den Totalitarismus und zu Millionen von Toten. Der Zwischenraum zwischen Himmel und Erde hält die Zukunft offen. Aus dieser Perspektive entstand im Jahr 1942 das sogenannte Gebet der Vereinten Nationen, in dem es heißt:

„Herr, unsere Erde ist nur ein kleines Gestirn im großen Weltall.

An uns liegt es, daraus einen Planeten zu machen,

dessen Geschöpfe nicht von Kriegen gepeinigt werden,

nicht von Hunger und Furcht gequält,

nicht zerrissen in sinnloser Trennung

nach Rasse, Hautfarbe oder Weltanschauung.

Gib uns den Mut und die Voraussicht,

schon heute mit diesem Werk zu beginnen,

damit unsere Kinder und Kindeskinder

einst mit Stolz den Namen Mensch tragen. Amen.“

Stimmungsvolle und atmosphärisch dichte Musik- und Gedichtbeiträge schufen einen würdigen Rahmen für die Feierstunde. Vortragende waren Dr. Monika Deck, Malika Gerlach und Hannah Ottinger (Musik auf der Querflöte), Dr. Kerstin Ulrich und Heiko Lenhardt (Gesang/Piano) sowie Angelina Ventura (Mitarbeiterin der Gemeindeverwaltung/Gedicht). Bürgermeister Andreas Poignée nahm die Totenehrung vor und gemeinsam mit Mitgliedern der Freiwilligen Feuerwehr Limburgerhof die Kranzniederlegung am Ehrenmal.