Wie der Erstgeborene in jeder Familie eine Sonderstellung einnimmt, so erfährt auch das erste Monatskind des Jahres mehr Aufmerksamkeit als seine Geschwister. Keinen anderen Monat begrüßt man so festlich und lautstark, aber auch mit so vielen Hoffnungen und Wünschen. Noch während wir uns mit leiser Wehmut und Rückschau vom alten Jahr lösen, erteilen wir dem Januar schon Prokura, und ehe wir es uns recht versehen, hat er seine Stellung angetreten, mit allen Rechten und Pflichten: Die Jahreszahl hat sich unwiderruflich geändert, und mit ihr ergeben sich neue Termine und Pläne. Von Janus, dem römischen Gott mit dem Doppelgesicht, hat der erste Jahresmonat seinen Namen erhalten. Hartung hieß er bei seinen germanischen Vorfahren, aber auch Jahrmonat und Los-Monat. Winter- und Wolfsmonat, Ofen- und Stubenmonat deuten auf die Kälte hin, die in seinen Tagen fast immer herrscht, denn er ist in unseren Breiten der „Eismonat“ des Jahres, meist aber durch den Klimawandel verursacht, in reduzierter Form. „Wenn die Tage beginnen zu längen, fängt der Winter an zu strengen“, meint eine alte Bauernweisheit, und tatsächlich wächst die Tageslänge im Januar beträchtlich an. Eine Stunde und elf Minuten scheint die Sonne am letzten Monatstag länger als zu Jahresbeginn. Doch während draußen die Natur starr unter Eis und Schnee zu liegen scheint, regt sich im Verborgenen schon allenthalben neues Leben. „Fabian, Sebastian fängt der Baum zu saften an“ sagt man vom 20. Januar. Wo sie es noch nicht im Dezember taten, öffnen jetzt die Christrosen ihre Blüten und wetteifern mit den Schneeglöckchen darum, die Ersten des Jahres zu sein.