Titel Logo
Talpost Lambrecht
Ausgabe 17/2025
Stadt Lambrecht (Pfalz)
Zurück zur vorigen Seite
Zurück zur ersten Seite der aktuellen Ausgabe

In alten Zeitungen gestöbert

von Harald König

In alten Zeitungen blättern – das ist wie eine Zeitreise in vergangene Jahrhunderte. Es sind nicht bloß Nachrichten von gestern, sondern Geschichten von Menschen, Plänen und Visionen, die längst Geschichte geworden sind.

Ein vergessenes Großprojekt: Der Pfälzische Kohlenkanal durch das Elmsteiner Tal

So stieß ich im Speierer Anzeiger vom 21. Juni 1893 auf einen faszinierenden Bericht: das ehrgeizige Projekt eines Kanals quer durch die Pfalz – vom Saarbecken bis zum Rhein. Der sogenannte Pfälzische Kohlenkanal war einst ein ernsthaft diskutiertes Verkehrsprojekt.

Die Idee selbst reicht weit zurück: Schon im 16. Jahrhundert dachte Pfalzgraf Georg Hans über eine Wasserstraße zwischen Saar und Rhein nach. Im 18. Jahrhundert wurde das Vorhaben konkreter, scheiterte aber an politischen Umbrüchen wie der Französischen Revolution. Auch im 19. Jahrhundert blieb der Plan aktuell – insbesondere durch das wirtschaftliche Interesse der Gebrüder Stumm, deren Montanindustrie in der Saarregion florierte. Doch wieder zerschlugen sich die Ambitionen. Erst 1926 wurde das Projekt in einer offiziellen „Kanalversammlung“ erneut aufgegriffen – begleitet von einer Denkschrift an das Reichsverkehrsministerium.

In späteren Jahrzehnten tauchten drei Varianten für den möglichen Verlauf des Saar-Pfalz-Kanals auf:

  • durch das Bliestal über Zweibrücken und Landau nach Germersheim,

  • über Glan und Nahe nach Bingen,

  • oder – als Favorit – über Saarbrücken, Homburg, Kaiserslautern und Frankenthal.

Doch ein vierter, heute fast vergessener Vorschlag stammt aus jenem Zeitungsbericht von 1893. Der Geograph und Wasserbau-Experte Professor Dr. Faber stellte darin einen besonders ambitionierten Plan vor: Einen Kanal von Mundenheim bei Ludwigshafen über Speyer, Neustadt und das Elmsteiner Tal bis ins Moosalptal. Dort sollte ein Stausee entstehen, gespeist von den Quellbächen der Moosalb – eine Talsperre hätte das Wasser zurückgehalten und ein verzweigtes Becken geschaffen, das sich wie eine flach ausgestreckte Hand in die Seitentäler gelegt hätte.

Von dort wäre der Kanal über das Hohenecker Tal hinab ins Blies-Gebiet geführt worden – mithilfe einer großen Schleusentreppe durch das Erfenbacher Tal bis zum Vogelweiher Hof. Über Altstadt, Limbach und Wellesweiler sollte schließlich Neunkirchen erreicht werden. Ein Seitenkanal war sogar zur Anbindung Kaiserslauterns vorgesehen.

Durch die Kanalisierung der Blies hätte sich so ein Anschluss an das elsass-lothringische und französisch-belgische Kanalnetz ergeben – und damit ein echter Zugang zum gesamteuropäischen Wasserstraßennetz. Professor Faber sah in diesem Projekt ein Verbindungsstück zwischen Nordsee, Rhein, Maas und sogar dem Schwarzen Meer.

Am Ende entwarf er eine kühne Vision: Der Pfälzische Kohlenkanal als letzter Baustein in einem Netz, das den Warentransport über ganz Europa hinweg revolutionieren könnte – und damit sogar die kühnsten Träume Karls des Großen übertreffen würde.

Transkription

Speierer Anzeiger vom Fr. den 21. Juni 1893 – 81. Jahrgang – Ausgabe Nr. 169

Das Projekt einer Kanalverbindung zwischen dem Saarbecken und dem Rhein

(Pfälzischer Kohlenkanal)

Seinerzeit ist ein Plan zur Anlage einer Kanalverbindung zwischen dem Saarbecken und dem Rheine, des sogenannten pfälzischen Kohlekanals, viel besprochen worden und hat großes Ansehen erregt. Der Plan war in einem Vortrag des Herrn Professor Dr. Faber, gehalten in Neustadt auf Veranlassung des dortigen Gewerbevereins, zur Kenntnis der Öffentlichkeit gebracht worden. Jetzt hat Dr. Faber in einer Schrift dieses Projekt auf Grund seines Vortrages näher ausgeführt und entnehmen wir seinen Untersuchungen über die immer größere und weitgehendere Beachtung findende großartige und für die Pfalz und für Speyer hochwichtige Projekt nachstehendes: „Ist eine Kanalverbindung zwischen dem Saarbecken und dem Rheine möglich?“ Auf diese Frage erwidert Dr. Faber u.a. folgendes: „Dass eine solche Verbindung wünschenswert, ja dringend notwendig erscheint, lehrt ein Blick auf die geographische Lage derselben. Zwischen der unteren Blies und der unteren Saar da wo breite Wasserläufe eine Strecke lang fasst parallel, aber in entgegengesetzter Richtung laufen, gelegen, ist das Saarbecken von jedem natürlichen Schifffahrtswege weiter entfernt als jedes andere deutsche Kohlenbecken. Die nächstgelegene Wasserstraße ist der Rhein, der bis Ludwigshafen-Mannheim und auch eine Strecke weiter aufwärts über Speyer ein noch den Anforderungen eines regelmäßigen Großschifffahrtsverkehr vollkommen genügt. Wie aber ist eine Verbindung des Saarbeckens mit dem Rhein möglich? Da ist der kürzeste Weg der von Neunkirchen nach Ludwigshafen, den auch die vor beinahe 50 Jahren angelegte Eisenbahn eingeschlagen hat. Soweit der Kanal durch die Ebene zu gehen hätte, bietet sich nirgends eine Schwierigkeit; aber beim Durchgang durch das Gebirge muss er den Punkt aussuchen, wo sich die zur Überschreitung der Wasserscheide notwendigen Wassermassen sammeln lassen. Nördlich der Bahnlinie Homburg – Neustadt und im Hochspeyerbach-Tal sind die nötigen Vorbereitungen hierzu nicht gegeben, also muss der Kanal seinen Weg weiter südlich suchen. Ob es seinerzeit, als man die pfälzische Ludwigsbahn baute und die Linie Kaiserslautern – Neustadt derjenigen über Bad Dürkheim vorgezogen hatte, ein Fehler war oder nicht, die Verbindung mit dem Rhein nicht auf dem kürzesten Weg, nämlich nach Speyer, zu suchen sondern den längeren Weg nach der Rheinschanze bei Mannheim zu wählen, haben wir hier nicht zu untersuchen, jedenfalls haben wir nach der damals getroffenen Entscheidung keine Wahl mehr bei der Frage, wo der pfälzische Kohlenkanal sich an den Rhein anzuschließen hat. Ludwigshafen ist dazu wie geschaffen und geht einer blühenden Entwicklung entgegen; ist, vorläufig wenigstens mit Mannheim der Endpunkt der regelmäßigen Rheinschifffahrt und liegt an der Einmündung des Neckars gegenüber. Durch die Anlage des neuen Rheinhafens bei Mundenheim ist der Ausgangspunkt für den pfälzischen Kohlenkanal fest bestimmt und zugleich ein nicht unwesentlicher und kostspieliger Teil der Arbeiten für denselben, nämlich die Verbindung mit dem Rhein und die Sicherung gegen das Hochwasser schon gegeben. Von dem neuen Hafen aus ginge der Kanal zwischen Rheinzabern und Neudorf hindurch und in den Schifferstadter Wald. Bevor er die Bahnlinie Schifferstadt – Speyer in einer Unterführung kreuzte, zweigt sich ein Seitenkanal zum Anschluss an Speyer ab. Der Hauptkanal gelangte nach der Kreuzung mit der Speyerer Bahn in den Iggelheimer und Haßlocher Wald, würde dann etwa da, wo jetzt der Speyerbach die Bahnlinie Neustadt-Ludwigshafen schneidet seinen Weg nach der Nordseite dieser Linie suchen.

Von hier, also von Winzingen an, den Speyerbach aufwärts, sind die Schwierigkeiten viel größer. Es gilt eine Stadt zu durchschneiden und die Gefahr liegt nahe, eine von dem Wasserlaufe des Speierbachs abhängige Industrie von diesem Lebensnerv abzuschneiden. Zudem scheint das enge Tal des Speyerbachs die gleichzeitige Entwicklung von Landstraße, Eisenbahn und Kanal nicht zu gestatten. Allein die Gefahr ist nur scheinbar und die sich darbietenden Hindernisse sind nicht unüberwindlich. Nachdem der Verfasser diese Möglichkeit durch Schilderung des Weges durch Neustadt eingehend darlegt, fährt er fort: Der Kanal würde u.a. am Rande der Talebene weitergeführt, den Weg von der Kuhbrücke zum Schießhaus und dann nochmals durch Schleußen gehoben am Fuß des Schorlenbergs hin die Richtung nach dem Elmsteiner Tal einschlagen, dessen Talsohle oberhalb der Papierfabrik H. Goßler in Frankeneck erreichte. Von diesem Punkte aus würde der Lauf des Kanals im Wesentlichen mit dem Bette des Speyerbaches zusammenfallen und durch Erfenstein, Appenthal, Elmstein, Mückenwies und Speyerbrunn gehen. Von Speyerbrunn würde der Kanal dem Schwarzbach (nicht verwechseln mit dem ebenfalls bei Johanniskreuz entspringenden südlichen Schwarzbach, auch Burgalp genannt) entgegenlaufen und in einem großen Tunnel den Bergrücken nördlich von Johanniskreuz durchschneiden und dann in das im Moosalptal zu errichtende Speisebecken einmünden.

Beim oberen Ende des Karl Tals, da wo der obere Hammer der ehemaligen Trippstadter Eisenwerke steht. treten die Berge so nahe beieinander, dass sich hier leicht eine Talsperre von 30 Meter Höhe errichten ließe. Dadurch würden die Wasser der verschiedenen Quellbäche der Moosalb und die Ergebnisse der Schneeschmelze auf ihrem Niederschlagsgebiet so zurückgestaut, dass ein nach den verschiedenen Seitentälern sich verzweigender großer See entstünde. Seiner Form nach hätte dieser See mit seinen Verzweigungen eine große Ähnlichkeit mit einer flach aufgelegten rechten Hand. Dem Daumen entspräche das breite, aber steiler ansteigende Nothoftal, beim kleinen das Weisental, dem Mittelfinger das eigentliche Moosalptal mit dem Moosalp-Ursprung, rechts und links von diesem würden zwei andere Täler dem Goldfinger und dem Zeigefinger entsprechen. Um aus dem Becken der Moosalp in die Ebene des Landstuhler Gebiets zu gelangen und damit einen leichten Zugang zur der Blies zu finden, muss aber noch eine Wasserscheide überschritten werden, am bequemsten eignet sich das Hohenecker Thal. In einer großen Schleusentreppe würde alsdann der Kanal durch das Erfenbacher Tal sich in die Ebene des Gebrüchs senken und dieselbe bei dem Vogelweiher Hof erreichen. Beim Vogelweiher Hof würde die Bahnlinie Kaiserslautern – Homburg in einer Unterführung gekreuzt; von hier aus könne auch ein kleiner Seitenkanal Kaiserslautern, die größte Industriestadt der Pfalz, an das Kanalnetz anschließen. Der Hauptkanal hätte seinen Weg westwärts durch das Gebrüch zu nehmen, um bei Berden oder Altstadt Limbach die Blies entgegen nach Niederberbach, Wellesweiler und Neunkirchen zu gehen. Als eine notwendige Erweiterung des in Rede stehenden Projektes würde die Kanalisierung der Blies vor der Einmündung des Kanals abwärts bis Saargemünd ins Auge zu fassen sein; denn durch dieselbe wäre der Anschluss an das elsass-lothringische und damit auch an das französisch belgische Kanalnetz, sowie auch an die kanalisierte Saar nach Saarbrücken gegeben. „Und wenn einmal“, sagt der Verfasser, nachdem er sich des Näheren über die Frage der Durchführbarkeit des Planes verbreitet, und die vielen Vorteile eines solchen Kanal betont, durch die Kanalisierung der unteren Maas der Weg vom Rhein der bis zur Saar eröffnet ist, dann ist der von Sr. Kgl. Hoheit, dem Prinzen Ludwig von Bayern in seiner gehaltenen Ansprache bei der Hauptversammlung des bayrischen Kanalvereins für die Pfalz geforderte und damit verheißenden Anschluss an das elsass-lothringische und belgisch-französische Kanalnetz erreicht. Dann ist der Pfälzer Kohlekanal die letzte verbindende Masche in einem großartigen Verkehrsnetz von schiffbaren Flüssen und Kanälen, welche von dem schwarzen Meer bis an den Gestaden des atlantischen Ozeans und bis zu dem Kanal La Marche einen lebhaften Austausch der Massengüter ermöglicht. Dann sind die kühnsten Träume Karls des Großen in den Schatten gestellt durch die Wirklichkeit.