von Harald König
In alten Zeitungen blättern – das ist wie eine Zeitreise in vergangene Jahrhunderte. Es sind nicht bloß Nachrichten von gestern, sondern Geschichten von Menschen, Plänen und Visionen, die längst Geschichte geworden sind.
Die Geschichte des abgewiesenen Tributbocks von 1851 fand Eingang in nahezu allen bayerischen Zeitungen. Überall war der gleiche Text zu lesen:
"Seit uralten Zeiten hat die Gemeinde Lambrecht-Grevenhausen für die Gerechtigkeit des Weiderechtes im Deidesheimer Walde alljährlich auf Pfingstsonntag einen wohlgehörnten und wohlgenährten Bock durch die betreffenden Walddistrikte abzuliefern. Der jüngste Bürger von Lambrecht-Grevenhausen ist in eigener Person oder durch Lohnleute zum Bockführerdienst verpflichtet. Ist der Bock nicht zur rechten Zeit und in guter Qualität abgeliefert, so erlischt das Weiderecht, von dem jetzt mancher arme Hausvater durch das zur Weide getriebene Kühlein den Sommer über seine Familie erhält. Die stolzen Lambrechter wollten den reichen Deidesheimer schon öfter den Bocktribut mit Geld abkaufen, aber dazu sind die Deidesheimer auch zu großartig. Denn wenn der noble Bock kommt, und dann im Orte versteigert wird, so ist dies jedes Mal ein flottes Fest für Alle, besonders aber für die liebe Jugend.
Dieser Bock nun, wie er dieses Jahr durch den Wald nach Deidesheim gebracht werden sollte, wurde in Gimmeldingen schon marode und musste dort auf einen Schubkarren geladen und gefahren werden. So kam er denn in Deidesheim erst um dreiviertel auf acht, statt vor Sonnenaufgang an. Auf diese flagrante Verletzung der alten Gerechtsame und Pflichten hin wurde der wohllöbliche Magistrat von Deidesheim samt dahin berechtigten Anneren versammelt, die Sache zu Protokoll genommen, und der Bock mit gehörigem Begleitschreiben an das Bürgermeisteramt Lambrecht zurückgewiesen, weil er 1) zu spät angekommen und 2) den "vorschriftsmäßigen Körperbau" nicht habe. - Somit hätten also die Lambrechter ihre Gerechtsame verloren."