Die rechte Zeitangabe für einen pünktlichen Schulbesuch: Abschiedsgeschenk an die Schüler der Armenkolonie.
Zum ersten Mal im Lepra-Camp. Ein „Betroffener“ erhält für die kalten indischen Nächte eine „Webdecke“.
Eine feste Mahlzeit für die Gäste aus dem Lepra-Camp wird von dem Lambrechter persönlich serviert.
„Rame-Schu“ dankt für die Hilfsjahre mit einem Blütenregen.
Der indische Ministerpräsident Ragupati dankt dem Lambrechter für 20 Jahre Indien-Einsatz.
Tempeltänzerinnen tragen zum Fest-Gelingen bei. Ein Uhren-Präsent für alle. Links Tanzlehrerin Venkata-Rao, Mitte der Lambrechter mit Ministerpräsident Ragupati.
Meine Zeit steht in seinen Händen: Uhren-Präsent für Schüler in der Armen-Kolonie.
Wenn wir versuchen, uns in andere Kulturen und auf Mentalitäten einen
Einblick zu verschaffen, werden wir auf der einen Seite nicht nur die
Sichtbaren, auf der anderen Seite aber auch die Unsichtbaren Dinge der Welt entdecken.
Um Beides im Blick zu behalten, sollte man wissen, dass diese immer eine reale Gegenwart bleibt. In diesem Sinne beginnt auch der Zeitabschnitt dieses Berichtes mit einem Wort von Martin Luther. Er umfasst den letzten Hilfseinsatz eines Lambrechters im südlichen Indien. Sollte Einer dieses Land in einem eingeschränkten Blickwinkel aufsuchen und nicht die Menschen in ihrem Sein, wird er diesem Land ob seiner Bedürftigkeit immer fernbleiben. Die Wesenszüge darin bestehen aus den verschiedenen Weltanschauungen, den diversen Religionsarten, sowie der langen Leidensgeschichte des Landes. Die Tatsache bleibt, dass jede Hilfe, sei es im Kleinen wie auch im Großen, auf den Einzelnen ausgerichtet ist. Beispielsweise wäre zu sagen, dass die Welt wie ein „Buch“ ist und wer sie nie bereist hat, hat darin nur eine Seite gelesen. Um solch ein Buch zu erfassen, versuchte einer aus der Talgemeinde als Einzelgänger in langen Jahren dem nachzugehen, um im erweiterten Sinn, Seite für Seite umzublättern, um sich informierend zu belesen.
Die schwierige Telugu-Sprache gehörte auch dazu. Um Menschen dort zu verstehen, war es wert, sie in etwa zu erlernen. Wie oft angenommen wird, geschah dies nicht in Perfektion, aber auch nicht mit Händen und Füssen, im Gegenteil. Was aber wäre aus solch einer persönlichen Weinbergsarbeit ohne seine Mitarbeiter geworden? Aus In- und Ausland gingen gerade sie den nicht einfachen Weg mit, um Unmögliches möglich zu machen. Gerade dies in einer Zeit, in der Vieles, bedingt durch die Corona-Krise, verloren ging. Bisher war es immer ein Versuch, trotzdem dieses Unmögliche anzugehen um Einiges, wenn auch nicht Alles, zu bewältigen.
Ausgangspunkt der Unternehmung von 2023 wurde der Frankfurter Flughafen mit seinem ersten Ziel: New Delhi. Wie in jedem Jahr sind bis zum Weiterflug, dort ca. 9 Std. Wartezeit erforderlich. Sein Endziel erreicht man abermals in vier Stunden mit dem kleinen Airport Vetjayawada im Staate Andhrapradesh. Schon Stunden zuvor warten im Außenbereich des Fluggeländes Freunde, bei 45 Grad Frht., ausgerüstet mit Blumenkränzen, den „Gulabis“, um die Ankunft des Pfälzers zu umrahmen. In wiederum vier Stunden Fahrzeit erreicht man mit einem Mietwagen sein letztes Ziel: „Bapatla“ mit der Armenkolonie.
Was aber den Staat Andhrapradesh anbetrifft, ist dieser einer der zwölf aufgeteilten Staaten Indiens. In ihm begegnen die Einheimischen dem Deutschen schon viele Jahre hindurch einem, der sich in und mit seinem Engagement für Menschen der niedersten „Kasten“ einsetzt. An Ort und Stelle hat jede Aktivität auch eine bestimmte Ordnung in der man vor allem bedacht ist, erst sich an Bedürftige zu wenden, bei denen es nötig scheint sich einzusetzen. Solche Hilfe gelingt nämlich in guten Zeiten ganz einfach, in schwierigen Situationen ist sie jedoch nötiger. Man lernt dadurch erst recht zu schätzen, was man in und an seiner eigenen Heimat hat.
Ob früh oder spät halten einem in dieser Gegend Geräuschkulissen hellwach. Ausgangspunkte sind: schräges Flötengezeter, Trommelgewirbel und explodierende Feuerwerkskörper. Solche Lärmsignale sind unter anderem für Verstorbene bestimmt. Die Leiche wird teils liegend oder aufrecht auf einen Stuhl gebunden und auf einem Ochsengespann durch die Gemarkung gezogen.
Während der Fahrt wird der Tote mit bunter Kreide als Beileidsbezeigung beworfen.
Die Lärmaktionen können aber auch jungen Leuten gelten, die sich trauen zu heiraten. Traditionsgemäß sucht der Vater für Sohn oder Tochter dazu den passenden Partner aus. Für ein solches Ehebündnis gehören auch absolut Einladungskarten mit bunt geprägten Hindu-Motiven. Sie werden nicht mit dem Postwege verschickt sondern oft auch auf mühevollen Wegen, persönlich in die Behausungen getragen. Am Vortag einer solchen Hochzeit, zu der auch der Lambrechter eingeladen war, wird der Bräutigam im Kreise der Familie und Freunde in einer phantasiereich dekorierten Räumlichkeit auf einen Thronsessel platziert. Die Anwesenden eröffnen die Zeremonie mit einem Blütenregen, der sich über die ganze Person verteilt. Diese Gestik bezeugt absolutes Wohlwollen sowie Verbundenheit dem jungen Mann gegenüber. Die Handlung setzt sich fort, indem die umstehenden mit einem Gefäß aus den bereitstehenden Kübeln, die mit blütengemischtem Wasser gefüllt sind, schöpfen. Einer von ihnen hebt dienstbeflissen eine große Messingkrone mit eingebautem Sieb über den Kopf des Sitzenden. Die Gäste, selbst der Pfälzer, waren aufgefordert, das Geschöpfte durch das Kronensieb dem geduldigen Bräutigam über dem Kopf auszuschütten. Am Ende zeigt es sich, dass der Betreffende in vollkommener Kleidung von oben bis unten völlig durchnässt war. In trockenem Zustand und so gesegnet darf der junge Mann im festlichen Ornat der Braut erst in den nächsten Abendstunden gegenübertreten.
Mit vorbereitetem Bedacht und in zweigeteilten Zeitabschnitten wurde das Ende der indischen Tage angegangen. Wie in jedem Jahr galt als erstes den Menschen, die außerhalb der Stadt in einem Lepra-Camp und denen, die auf der Straße leben, zu begegnen. In großen Metall-Pötten wurde für sie mit ideal gesinnten Helfern vor Ort ein großes Festessen ausgerichtet, dazu ergänzend ein Becher Wasser oder Buttermilch. Für dieses Event innerhalb des Camp’s der „Leppers“ und der „Baggers“ d.h. Lepra-Betroffene und Straßenpenner.
Die Zahl der Anwesenden belief sich auf etwa 300 Menschen. Dies galt als wesentlicher Beitrag denen, die außerhalb der Gesellschaft isoliert sind. Nach gegebener Möglichkeit konnte abschließend und zusätzlich jeder noch aus dem Sammelfundus eine „Dubati“ d.h. Webdecke zum Schutz der kalten indischen Nächte erhalten.
In dem Bewusstsein an einem Ort gestanden zu sein, der von einem bestimmten Menschenschicksal geprägt war hinter sich zu lassen, blieb als tiefgehender Teil der indischen Zeit. Der zweite Teil der Verabschiedung fand dann in der gewohnten Umgebung der Kolonie statt. Kinder und Eltern, Nachbarn und Freunde und sogar Honoratioren aus Stadt und Land, fanden sich dazu ein. Im Geleit von Presse, Fernsehen und Fotografen war unter anderem der Ministerpräsident von Andhraprasesh einer der Ehrengäste. Wie Jahre zuvor war sein Kommen schon das zweite Mal für solch ein Indisch-Lambrechter Event.
Dieser Besuch sollte als Dank verstanden werden, was an zwanzig Jahren geleisteter Hilfe für Land und Leute eingesetzt war. Für Schüler der Region aber ergab sich eine andere und besondere Abschieds-Idee. Die Wahl fiel auf eine aus Kunstmaterial geprägte Wanduhr in angemessener Größe, gut lesbaren Zahlen, sowie mit einem Batteriegehäuse. Als Aufforderung galt dies den Jugendlichen, um pünktlich und rechtzeitig dem Schulunterricht nachzukommen.
In Chennai, der Weltstadt – ehemals Madras – gab der Uhrmacher beim Kauf aus gegebenem Anlass den Impuls, auf das Zifferblatt möglicherweise Ort und Name des Auftraggebers aus der Pfalz mit einzubeziehen. In dieser Art und Weise sollte so gesehen auf lange Dauer, Lambrecht und seinem Vermittler in verschiedenen Behausungen des Districts bleibender Einzug halten. Sollte dann einmal die Uhrzeit stillstehen, hätte sie im erweiterten Sinne doch immer noch täglich zweimal die richtige Zeit angezeigt. Rückblickend schien diese „tickende Idee“ eines der sinnvollsten Dinge gewesen zu sein, die bisher vermittelt werden konnte, denn Zeit für Erforderliches und für Andere zu haben, ist und bleibt keine Zeitfrage!
Am Ende des Berichtes sollten die indischen Eindrücke besagen, dass unsere Zeit immer noch in „Seinen Händen“ steht, denn nur so geht man sicher seiner Lebenszeit zu.