Gerald Lehmann
Lars Mattil
Die für vergangenen Mittwoch, den 6.9.2023 um 18 Uhr anberaumte Buchvorstellung in der ehemaligen Lambrechter Tuchfabrik Gebrüder Haas (heute Jola Spezialschalter) wartete aufgrund des kurzfristigen Ausfalls des Autoren mit einem würdigen Ersatzprogramm über die Industrialisierung der regionalen Tuchmacherei auf.
Eigentlich hätte zum ersten Mal seit längerer Zeit mal wieder eine Buchvorstellung in Lambrecht stattfinden sollen. An sich schon etwas Besonderes in Lambrecht. Noch besonderer war für die Besucher dann allerdings zu Beginn der Veranstaltung die Ankündigung des Gastgebers, dass der Volkskundler, Historiker und Kulturschaffende Helmut Seebach, um dessen neues Buch „Rheinebene: Flechten, Spinnen, Weben“ – als sechster Band der Reihe „Altes Handwerk und Gewerbe in der Pfalz“ im Bachstelz-Verlag (Mainz) erschienen – es eigentlich hätte im Kern gehen sollen, leider kurzfristig absagen musste. Somit gab es also kein Buch, keine Signierstunde und keinen Hauptredner. Also mussten die beiden Nebenredner spontan zu den Hauptrednern des Abends werden.
Gerald Lehmann, der im Jahr 2018 in privater Initiative sein Weber-Museum im Nachbarort Lindenberg eingerichtet hatte und seitdem erfolgreich betreibt, erläuterte planmäßig, wie es dazu kam und was es heute dort zu sehen und zu lernen gibt. Außerplanmäßig hielt er einen Vortrag über die Frage, ob die Industrialisierung der Lambrechter Tuchmacherei zu spät angegangen worden sei.
Ergänzend kam Lars Mattil hinzu, als Enkel des „letzten Lambrechter Tuchmachers“ Karl Mattil (1897-1982) und als heutiger Geschäftsführer des 1952 von ebendiesem gegründeten elektrotechnischen Unternehmens Jola Spezialschalter Gastgeber der Veranstaltung. Das Betriebsgelände ist einer der letzten verbliebenen Erinnerungsposten an die jahrhundertealte Tuchmachertradition im Lambrechter Tal. Lars Mattil las einen Text über die Tuchfabriken seiner Ahnen der Familie Haas vor, den der entfernte Verwandte Christian Ahrens-Botzong im Jahr 1960 verfasst hatte. Ergänzend fügte er Kommentare und Erläuterungen hinzu. Um die Entwicklungen des letzten halben Jahrzehnts zu ergänzen, zitierte er unter anderem aus zwei Jahresberichten aus dem letzten Zunftbuch der Lambrechter Tuchmacherzunft, das im September 2021 anlässlich der Jola-Sonderausstellung „100 Jahre Verwaltungsgebäude“ erstmals nach vielen Jahren der Abwesenheit im Historischen Museum der Pfalz in Speyer zumindest für einige Wochen wieder in Lambrecht weilte.
Inklusive einer Lüftungspause und vielen angeregten Gesprächen kam das Programm dann auf eine Länge von über zwei Stunden, bevor die Besucher bei bestem abendlichen Sommerwetter verabschiedet wurden. Schade war nur, dass die Bebilderung sich aufgrund der Spontanität der Programmänderung auf einige wenige historische Fotos beschränken musste. Die ergänzende kleine Ausstellung deckte ergänzend aber zumindest die Themenfelder „Lambrecht und die Tuchmacherei“, „Die Tuchfabrik Gebrüder Haas“, „Heutiges Arbeiten in altehrwürdigen Mauern“ und „Die Lambrechter Tuchmacherzunft“ ab und entschädigte so für Einiges. „Beim nächsten Mal müssen wir den ungeplanten Plan B besser planen!“, stellte Lars Mattil abschließend mit einem Augenzwinkern fest, bedankte sich bei allen Interessierten und bestätigte das Vorhaben von Jola Spezialschalter, dem interessanten und heute noch relevanten Thema der Geschichte der regionalen Tuchmacherei mindestens eine Veranstaltung pro Jahr zu widmen.
Und auch dem Wunsch nach weiteren Mitstreitern wurde ungeplant entsprochen, und zwar in Person von Gerhard Albert, der sein neuestes Buch „Lambrecht in der Pfalz – Einblicke in die lange Geschichte eines Wald- und Tuchmacherstädtchens“ gerade druckfrisch dabeihatte und den interessierten Zuhörern kurz vorstellte. Es wurde als erste „leicht lesbare Gesamtschau“ seit der 1977 erschienenen, inzwischen vergriffenen Chronik konzipiert. Lars Mattil empfahl die Lektüre mit einem weiteren Augenzwinkern besonders deshalb, weil auf dem Cover sowie auf Seite 71 „die wohl schönste Tuchfabrik Lambrechts“ zu sehen ist: Gebrüder Haas.
Die geplante Vorstellung des Buches von Helmut Seebach, das er auch dem vor 4 Jahren verstorbenen Lambrechter Heimatforscher Karl Heinz Himmler gewidmet hat, soll wenn möglich im Laufe des Jahres nachgeholt werden.