Eine alte Bauernweisheit meint, der November ziehe des Jahres Bremse an – und dieses Bild hat viel für sich. Denn der Monatswagen, der mehr als vierzig Wochen so munter dahingerollt ist, verlangsamt die Fahrt wie einst die Postkutsche kurz vor dem Ziel, weil die Pferde müde waren. Auch unser Jahr ist müde geworden, scheint uns, müde vom Frühlingsfest, überdrüssig des Sommertanzes und lustlos nach dem herbstlichen Mahl. Grau und unscheinbar tritt der November alljährlich in unsere Welt, mit ernstem Antlitz, denn die Tage von Allerheiligen und Allerseelen, die Stunden der Buße und des Betens, die Sonntage des Totengedenkens sind seine Gefolgschaft. Der elfte Monat kommt mit leeren Händen. Er kann den Menschen nichts schenken wie seine Brüder, weder das erste Veilchen, noch die Feriensonne, weder die Frucht am Baum, noch silbernen Frost oder glitzernde Schneepaläste. Die Leute haben versucht, den armen Gesellen ein wenig aufzuputzen, wie das so Menschenart ist. An seinem elften Tag stülpt man ihm die Narrenkappe auf und lässt den Karneval beginnen. Aber diese Narrenkappe ist nur geliehen und will so gar nicht zu ihm passen. „Der November bin ich, hab‘ dreißig Tag, deren zwanzig und zehn gar niemand mag“ lässt ihn der Volksmund selbst von sich sagen. Sein Sternbild ist der Skorpion, sein Element das Wasser, sein beherrschender Planet der Mars. Der Name November hängt mit novem zusammen, das bedeutet neun. Denn er war der neunte Monat im altrömischen Kalender. Bei uns nannte und nennt man ihn Nebelung, denn er legt weiße Schleier über die Erde. Die Tage werden kürzer, und in den kalten Nächten fallen die letzten Blätter von den Bäumen. Jetzt ist es gut, daheim zu sein. Und daheim, in warmen Stuben, wird der unfreundliche November plötzlich zu einem zwar ruhigen, aber doch recht liebenswerten Gefährten für uns Menschen, der uns zur Selbstbestimmung führt und uns Gemütlichkeit beschert. Nein, wir wollen den elften Monat nicht schmähen, wir wollen durch ihn hindurchgehen. Tag um Tag, bis seine letzte rote Sonntags-Zahl im Kalender steht. Das ist die Siebenundzwanzig - und darunter kann man lesen: Erster Advent!