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Talpost Lambrecht
Ausgabe 44/2024
Stadt Lambrecht (Pfalz)
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Schöne Ansichten auf alten Postkarten

Blick in die Filiale der Familie Gierke

Altes Schützenhaus mit Weiher

Postkarte von Lambrecht – Blick ins Beerenthal

von Harald König

Lambrecht. Diese wunderschöne Ansichtskarte aus dem Jahr um 1930 habe ich im Esthaler Fotoarchiv gesehen und dachte mir gleich, das wäre doch was für die Serie „Schöne Ansichten auf alten Postkarten“in der nächsten Talpostausgabe. So eine Karte hat viel zu erzählen. Mal schauen, was ich da herausbekomme.

Wohnhaus errichtet 1901 von Gustav Adolf Merkel

Im Zentrum des Bildes ist ein markantes Haus, dass heute noch steht. Das habe ich gleich im Buch der Kulturdenkmäler gefunden: „Beerentalstr. 1. Ein stattliches zweigeschossiges Wohnhaus, 1901 errichtet für Gustav Adolf Merkel. Die Jahreszahl 1901 ist über der Eingangstür zu sehen. Den Namen Gustav Adolf Merkel konnte ich in der Stadtchronik nicht finden. Im Adressbuch von 1908 gibt es den Namen Gustav Adolf Merkel gleich zweimal.

Einstmals Kurhaus Jägerheim

Das Haus am linken Bildrand erscheint im Buch der Kulturdenkmäler nicht. Wie ich aber annahm ist es ein Haus mit viel Geschichte. Es steht im Kleinen Weg mit der Hausnummer Nr. 55. Über das Haus wusste Gunther Weber einiges zu berichten. Es wurde 1902 vom einstigen Gemeindeförster Jakob Ernst errichtet. Er wusste auch, dass das Haus früher „Kurhaus Jägerheim“ genannt wurde. Dass sich dort auch ein Lebensmittelgeschäft als Filiale der Familie Gierke in späteren Jahren befand, sagte mir eine freundliche Frau, die ich vor dem Haus traf. Bestätigt haben das auch einige Mitglieder der Facebook-Gruppe „Lambrecht -damals und heute“. Sehr interessant war zu erfahren in Bezug auf den Namen Gierke, dass die Tochter Christa eine erfolgreiche Rollschuhsportlerin und später Sportmoderatorin beim ZDF war und Sohn Karl-Heinz ein bekannter Schauspieler. Aber das nur am Rande. In dem ehemaligen Gierke Laden war auch zeitweise eine Reparaturwerkstatt für mech. Musikinstrumente.

Erstes Lambrechter Schützenhaus

Etwas weiter rechts blicken wir auf eine Trafostation, die zur Stromverteilung diente. Vor der Station ist ein flacher Bau zu erkennen. Das war das alte Schützenhaus. Heute ist es ein Wohnhaus. Rechts davon befand sich einige Jahre vorher ein Weiher, welchen man auf einer Ansichtskarte noch bewundern kann. Der Weiher vor dem alten Schützenhaus wurde zugeschüttet und man errichtete auf dem ehemaligen Weihergelände das Doppelhaus in der Schorlenbergstraße und die unteren beiden Doppelhäuser in der Beerentalstraße.

Wohnungsnot wird gelindert

Die Häuser 5 -16 in der Beerentalstraße ist eine Gruppe von sechs Doppelhäuser, die nach 1921 durch die Stadt zur Linderung der Wohnungsnot errichtet worden sind. Man kann einige Häuser auf dem Foto rechts neben der Trafostation erkennen.

Am Bremsberg

Weiter rechts steht das freistehende Haus in der heutigen Straße „Am Schorlenberg“ mit der Hausnummer 1/3. Dieses Doppelhaus wurde 1926 von der Stadt als Försterwohnung erbaut, jedoch 1935 an Otto Welker verkauft. In der Verkaufsurkunde ist die Adresse als „Am Bremsberg 1“ vermerkt – eine Information, die ich von Gunther Weber habe, dessen Elternhaus die linke Gebäudehälfte war.

Woher kommt der Name Bremsberg? In der Stadtchronik bin ich fündig geworden: Damit der Steinbruch als Einnahmequelle genutzt werden konnte, beschloss der Stadtrat am 7. Mai 1920 die Anschaffung einer Bremsberganlage. Mit dieser Anlage konnten die Steine mithilfe einer auf Schienen laufenden Lore über einen leicht abfallenden Weg ins Tal transportiert werden, wobei die Lore durch die Anlage gebremst wurde. Die Bremsberganlage war jedoch nicht lange in Betrieb – laut Stadtratsbeschluss vom 7. Mai 1929 wurde sie als Schrott veräußert.

Neugierig bin ich auch, was die gerade Schneise rechts neben dem Haus „Am Bremsberg“ zu bedeuten hat. Mein erster Gedanke war, dass es sich um eine Stromtrasse handeln könnte. Um 1926 wurde Lambrecht an das öffentliche Stromnetz der Pfalzwerke angeschlossen. Im Beerental errichtete man dafür eigens eine Übergabestation in Form eines Turms, die auf dem Foto noch zu sehen ist. Die Stromzufuhr kam aus Richtung Frankeneck und verlief zunächst über Strommasten; das letzte Stück wurde vermutlich unterirdisch verlegt. Diese Vermutung konnte ich jedoch auf die Schnelle nicht abschließend klären.

Auf dem Fabrikschlot in der Bildmitte steht geschrieben F&L Haas

Kurz vor dem ersten Weltkrieg gab es in Lambrecht (Pfalz) sieben Tuchfabriken Gg. Botzong, Hartmann Botzong, A. H. Fuchs, Gebr. Haas, J. J. Marx, J. J. Sauerbrunn und F. Waltzinger.

Die „Fuchs’sche Tuchfabrik“ in der Schorlenbergstraße 4 ging in den Besitz von Nikolaus Haas und seinen Söhnen Friedrich und Ludwig über, wie ich aus der Esthaler Chronik lesen konnte. Die neue Fabrik trug den Namen „F&L Haas“. Ob der Kauf von Vater, Söhnen oder gemeinsam getätigt wurde und wann dies genau geschah, ist laut Lars Mattil, Geschäftsleiter der Jola Spezialschalter GmbH & Co. KG in Lambrecht, nicht verlässlich belegt. Die neue Fabrik erlebte einen deutlichen Aufschwung, was die durchgeführten Erweiterungsbauten belegen. Ludwigs Sohn Kurt und Friedrichs Schwiegersohn Hans-Oskar Frisch führten die Tuchfabrik später weiter. Im Frühjahr 1966 schloss als letzte Tuchfabrik, die Firma F&L Haas, mit damals 135 Beschäftigten die Fabriktore.

Häußling verarbeitet Kapok

Links am Bildrand der Schornstein und ein Teil eines Gebäudes die zur Fabrik Häußling, Kaiserstraße 111 gehörten. Eingetragen im damaligen Branchenverzeichnis war die Firma Häussling als Kapokfabrik. Kapok ist eine natürliche Faser, die aus den Samenschoten des Kapokbaums (Ceiba pentandra) gewonnen wird. Diese Faser ist leicht, weich und hat wasserabweisende Eigenschaften. Früher wurde Kapok häufig zur Herstellung von Polstermaterialien, Füllungen für Kissen und Matratzen sowie in Rettungswesten verwendet, weil es schwimmfähig ist.

Es ist schon erstaunlich, was uns so eine unscheinbare Postkarte alles zu erzählen hat.