Man muss sich die Frage stellen, ob es in einer Zeit, da sich evangelische und katholische Christen ernsthaft bemühen, zueinander zu finden, noch angebracht ist, jenes Tages von Wittenberg besonders zu feiern, an dem Martin Luther mit seinen Thesen die Reformation einleitete, die - ohne dass er es je ahnte oder gar wollte – zur Spaltung der großen Gemeinde führte, zu der Jesus von Nazareth vor zweitausend Jahren mit zwölf Jüngern wanderpredigend die Wurzeln legte. Vielleicht gilt aber gerade heute das Wort eines katholischen Würdenträgers mehr denn je, der einmal freimütig bekannte, dass die kirchlichen Verhältnisse zu Luthers Zeiten tatsächlich eine Reform gefordert hätten und man als Katholik in dem Bergmannssohn Martin aus Eisleben nicht den Fanatiker, sondern ein von mannhaftem Mut erfülltes und vom Schicksal berufenes Werkzeug der Allmacht sehen müsse. Der Glaube dieses Mönches, der so tief war, dass er kraftvoll die Jahrhunderte überdauerte, lässt sich in seinem Lied „Ein feste Burg ist unser Gott“ und dem auf dem Reichstag zu Worms gegenüberstand „Gott helfe mir …“ noch in unseren Tagen lebensnah fühlen. Er selbst hat sich, wie die Zeitgenossen bekunden, wohl niemals als Reformator betrachtet, sich auch nie so genannt, sondern nur immer von der Freiheit des Christenmenschen gesprochen, ohne zu verschweigen, dass er selbst oft meinte, zu seiner eigenen menschlichen Schwäche wahrlich ersticken zu müssen.