von Harald König
In alten Zeitungen blättern und herausfinden, was damals so los war – das klingt unglaublich spannend und weckt die Neugier auf vergangene Geschichten. Es geht dabei nicht um die Nachrichten von gestern, sondern um wirklich alte Artikel, die 100 Jahre und mehr zurückliegen. Was wurde damals über unsere Talgemeinden in der Zeitung berichtet?
Diesmal führt uns die Zeitreise ins Jahr 1910 nach Lambrecht. In den Münchner Neuesten Nachrichten vom 20.09.1910 wird von einem Elmsteiner Talbahn-Idyll berichtet.
Für diejenigen, die die Schrift nicht lesen können:
Auf der Lokalbahn. Ein Elmsteiner Talbahn-Idyll erzählt der Pf. Kur:
„Fuhr da am 14. September vorm. 8 Uhr 10 Min. ab Lambrecht das Talzügle mit 6 Minuten Verspätung unter Volldampf gen Frankeneck zu. Just, wo die Bahnstrecke am gruseligsten ist, an den Kunstbogenbauten, hoch über der Nudelfabrik, wo die Abzweigung vom Hauptgleise in das Lokalbahngleis ist, hält das Zügle mit einem vernehmlichen Ruck. Alles stürzt an die Fenster. Hat die Weiche versagt, kommt uns ein Zug entgegen, ist’s ein Maschinendefekt? Die Passagiere fragen’s ängstlich; niemand kann Auskunft geben. Man hört einen Bahnwärter lebhaft mit dem Lokomotivführer verhandeln. Ein neuer Ruck, und rückwärts gehts wieder, dem Lambrechter Bahnhof zu. Im Zügle sitzen Leute, die dringend ins Tal müssen; darunter der Steuereinehmer mit seinem Assistenten, der den Elmsteinern durch die Ortsschelle bekannt geben ließ, daß er komme, um ihnen die 22prozentige Steuererhöhung abzuknöpfen. Was ist los? Keiner kann’s erraten. Inzwischen wieder ein Ruck, das Zügle hält, bevor es ganz in den Lambrechter Bahnhof zurück gelangt war. Ein Bahnbediensteter mit einem Fahrrad auf dem Buckel kommt dem Zügle entgegen. Endlich klärt sich’s auf und alles atmet erleichtert auf: das Fahrrad eines Passagiers dritter Klasse war vergessen worden in den Packwagen zu geben. Kurz entschlossen hat man dem übernächsten Bahnwärterposten telefoniert und das Zügle zurückbeordert. Mit Volldanmpf ging’s dann ins Tal.
Aus der umfangreichen Postkartensammung von Udo Grimm habe ich eine schöne Karte gefunden, mit Zug und dem Bahnhof Lambrecht. Es ist nicht das beschrieben Zügle, aber trotzdem versetzt es einem in die beschriebene Zeit.
Reiner Frank von der Deutsche Gesellschaft für Eisenbahngeschichte hat zu dieser Ansichtskarte in der Lambrechter Facebookgruppe eine gute Beschreibung gepostet: „Ein Klassiker aus der Zeit vor dem 1. Weltkrieg. Es zeigt einen Schnellzug der Pfalzbahn in Richtung Hochspeyer bei der Durchfahrt im Bf Lambrecht. Erkennbar an der Bespannung des Zuges mit zwei pfälzischen Schnellzugloks und der Bauart der Wagen. Zu dieser Zeit war das Gleis 2 Hauptgleis in Richtung Weidenthal, Gleis 1 das Hauptgleis nach Neustadt. Gleis 3 war Ausweichgleis, dessen Rolle heute Gleis 1 hat. Interessant auch der Bahnübergang als Vorgänger der heutigen Brücke.“