Dritter Advent

Nun ist es doch überall weihnachtlicher geworden, obwohl man dies noch vor zwei Wochen, als wir das erste Licht der Adventszeit anzündeten, nicht für möglich gehalten hätte. Zwar hat sich die Hast unseres Alltags nicht gelegt, wir stehen nach wie vor unter der Spannung, die nur schwer zu uns selber finden lässt. Aber hier und dort leuchtet doch schon ein kleines Weihnachtsglück auf. Kinder lernen ihre Gedichte, Vereine und Betriebe versammeln sich unter dem Tannenbaum, Päckchen kommen an oder werden gepackt, die ersten Christstollen und Lebkuchen kann man probieren. Die Weihnachtsmärkte in den Talgemeinden haben die Tradition des einstigen romantischen Zaubers des Weihnachtsmarktes, der vor Jahrhunderten an der alten Stadtmauer unter dem Kirchturm oder vor dem Rathaus seine Buden aufschlug, heute wieder aufgenommen. Was man heute vermisst, sind meist die lokalen Geschäfte, die noch vor einigen Jahrzehnten im Tal im Glanz der Lichterketten erstrahlten. Nur wenige Geschäfte haben das Sterben des Einzelhandels in der Talregion überlebt. Noch vor fünf Jahrzehnten hatten sich mehr als 25 Einzelhandelsgeschäfte in Lambrecht vor Weihnachten zur Aktion „Lambrechter Glückstaler“ zusammengeschlossen und mit einem Preisrätsel um Kunden geworben und Geschenke verteilt. Die heutige Vorweihnachtszeit mit glitzernder Werbung aus dem Fernsehen oder Internet hat mit „damals“ nur noch sehr wenig zu tun. Die Umwelt hat sich verändert. Aber war das nicht von Jahrhundert zu Jahrhundert so? Hat nicht immer etwas Vertrautes, Liebgewordenes dem Neuen Platz machen müssen? Nur ist dieser Wandel, gemäß unserer ganz auf Tempo eingestellten Gegenwart zu rasch, viel zu rasch vor sich gegangen. Und darum fällt uns der Unterschied zwischen Gestern und Heute besonders auf und tut den älteren Menschen, eben weil es gar zu krass ist, doch ein bissel weh. Vielleicht aber ist es gut, dass uns die veränderte, so entsetzlich laut gewordene Umwelt, zu einer Verinnerlichung unseres Weihnachtserlebnisses zwingt. In diesem Bewusstsein lassen Sie uns die dritte Kerze am Tannenzweig entzünden …