In der Otterberger Abteikirchenkonzertreihe führte das vierte Konzert das Publikum am Sonntag in eine eindrucksvolle musikalische Epoche. Im Rahmen des Kultursommers Rheinland-Pfalz und der Reihe „Via Mediaeval – In Memoriam“ entfaltete sich in der ehemaligen Zisterzienserabtei ein besonderes Klangereignis, mit einer großen Zuhörerschaft.
Die Kombination aus mittelalterlicher Musik, dem geschichtsträchtigen Aufführungsort und dem Vokalensemble Ordo Virtutum erwies sich als Glücksfall.
Die fünf Sänger unter Leitung von Professor Stefan Johannes Morent, Gründer des Ensembles und künstlerischer Berater der Konzertreihe, bewiesen, dass schon wenige Stimmen den monumentalen Kirchenraum erfüllen können. Mit wechselnden Positionen im Altar- und Chorraum, sorgfältiger Platzierung und flexibler Besetzung gelang es, die Akustik nicht nur zu meistern, sondern als Resonanzfläche einzubeziehen. Der Raum wurde so Teil der Aufführung, die Stimmen schwebten, trugen und verbanden sich mit dem Nachhall zu einer geradezu mystischen Einheit.
Das Programm mit dem Titel „Fragmentum – Auf der Suche nach dem verlorenen Klang“ erinnerte daran, dass durch Reformation, Säkularisation und stilistische Wandlungen viele mittelalterliche Choralhandschriften verloren gingen oder zweckentfremdet wurden. Ordo
Virtutum begab sich auf Spurensuche und rekonstruierte Stücke wie ein Graduale aus dem Kloster Maulbronn oder eine Antiphonie aus Bebenhausen, beide aus dem 15. Jahrhundert.
Damit wurde die mittelalterliche Musik lebendig.
Besonders eindrucksvoll war die historische Aufführungspraxis: Anstelle moderner Dirigiertechniken nutzte Morent eine Methode bei der Tonsilben über Handzeichen vermittelt werden. Das Ensemble zeigte, wie durch intensive Probenarbeit, sensibles Hinhören und spontane Reaktionen eine klangliche Homogenität erreicht werden kann, die sowohl Wissenschaftlichkeit als auch künstlerische Inspiration vereint.
Das Ergebnis war ein Abend, der weit mehr bot als ein Konzert: eine Rückkehr in die Kontemplation, getragen von reiner A-cappella-Kunst. Ordo Virtutum machte Musik, Text und Raum zu einem Ganzen und eröffnete dem Publikum damit den Zugang zu einer faszinierenden, fast vergessenen Klangwelt. Mit langanhaltemden Applaus dankte das Publikum diesen hervorragenden Sängern.
Das nächste Konzert findet am 04.10.2025 um 19 Uhr mit der Ev. Jugendkantorei der Pfalz und der Kammerphilharmonie Mannheim statt. Karten unter www.reservix.de